Leserbrief von Sabine Mahlknecht, Team K Gemeinderätin in Brixen und Landtagskandidatin
Mit „Win-win“ wird ja überaus gern eine Situation bezeichnet, bei der es offensichtlich (oder vermeintlich?) nur Gewinner*innen gibt – einen etwas negativeren Beigeschmack hat wohl der Begriff „Vorzeige-Deal“.
Im Bericht zur Verbauung des Auwaldes Brixen – dies klingt dann doch eher suboptimal – ist von nachahmenswerter Zusammenarbeit zwischen Umweltschützern und einem Wirtschaftsunternehmen die Rede. Der Sachverhalt ist aus meiner Sicht etwas anders zu interpretieren: Weit davon entfernt, mir ein meritorisches Urteil anzumaßen, verlasse ich mich in der Bewertung auf die Einordnung von Expert*innen. Ich beziehe mich hierbei u.a. auf ein Gutachten zur Bewertung des Auwaldes als schützenswertes Habitat, welches die Gemeinde Brixen in Auftrag gegeben hat. Dieses Gutachten der Firma Revital/Osttirol – immerhin mit öffentlichen Geldern finanziert – wird von der Gemeinde unter Verschluss gehalten, da es sich um „ein verwaltungsinternes Dokument“ handle. Warum wohl? Vielleicht, weil die Inhalte dieses Gutachtens gänzlich andere Schlussfolgerungen zulassen, als im Bericht beschrieben?
Nicht nachvollziehbar ist für mich, wie eine lokale Umweltschutzgruppe sich auf diesen „Deal“ einlassen konnte, wobei ich die Erweiterung des Biotops Millander Au absolut befürworte. Diese darf aber nicht auf Kosten des letzten großen Auwaldes des gesamten Eisacktals gehen. Es handelt sich um ein komplexes Ökosystem, um einen einzigartigen Lebensraum mit hoher Artenvielfalt, es gibt dort bis zu 40 m hohe Bäume mit einem Stammumfang bis zu 4,5 m und einem Alter von bis zu 100(!) Jahren. Der Wald ist Habitat für zahlreiche Vogelarten, die vom Aussterben bedroht sind: Es wurden 64 Vogelarten beobachtet, 29 Arten davon brüten auch dort, sieben Vogelarten scheinen in der Roten Liste der gefährdeten Tierarten auf.
Dass die im „Deal“ beschriebenen Ausgleichmaßnahmen unzureichend sind, sehen der WWF Alto Adige/Südtirol, das Artenschutzzentrum St. Georgen und die „Initiative für ein lebenswertes Brixen“ im Übrigen genauso. Es geht hier um Glaubwürdigkeit – Brixen ist Klimagemeinde – und um die Lebensqualität zukünftiger Generationen. Ich denke, eine Abholzung des Auwaldes ist in einer Zeit,
- wo Klimaschutz als eine der wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart angesehen wird,
- wo es laufend Baumpflanzaktionen gibt,
- wo Jugendliche regelmäßig auf die Straße gehen, um für ihre Zukunft und die Rettung unseres Planeten einzutreten …
absolut nicht vertretbar – ganz unabhängig von irgendwelchen (unzureichenden) Kompensationsmaßnahmen.
Ich appelliere hiermit an die Baufirma, für den Bau des neuen Industriegebäudes einen alternativen Standort zu suchen.
Sabine Mahlknecht