Im Zuge der Whistleblowing-Affäre gegen US-Präsident Donald Trump ist das Thema derzeit in den Medien so weit verbreitet wie kaum zuvor. Konkret geht es um ein Telefonat von Trump mit seinem ukrainischen Kollegen Volodymyr Zelenskiy. Darin wird klar, dass Trump Zelenskiy Ende Juli darum gebeten haben soll belastendes Material über seinen politischen Rivalen Joe Biden zu liefern. Die Informationen der Aufzeichnung des Telefongesprächs sollen von einem Geheimdienstmitarbeiter stammen, der anonym bleiben will, mit anderen Worten einem sog. Whistleblower.
Der „Whistleblower“ (wörtlich der Pfeifenbläser) ist jemand, der gesetzeswidrige bzw. betrügerische Handlungen innerhalb einer Regierung, einer öffentlichen oder privaten Einrichtung oder eines Unternehmens aufzeigt. Zweifelsohne handelt es sich um ein nützliches Instrument, um auf unerlaubte Handlungen auf dem Arbeitsplatz hinzuweisen. Dabei sind das Aufdecken von Missständen und Straftaten sowie der gleichzeitige Schutz der Enthüller für die Beteiligten von großem Vorteil: In erster Linie hat die Verwaltung die Möglichkeit, Unregelmäßigkeiten bzw. das Risiko eines Fehlverhaltens zu erkennen und unverzüglich zu handeln, indem entweder die Unregelmäßigkeit beseitigt oder der Verantwortliche der Straftat bzw. des Fehlverhaltens zur Rechenschaft gezogen wird. Zudem ist es im Interesse der Allgemeinheit, wenn das Fehlverhalten eines Verwalters oder Beamten und der damit verbundene Schaden aufgedeckt und dementsprechend geahndet werden. Somit ist dies für den Arbeitnehmer eine Alternative zum Schweigen, weil er vor eventuellen Vergeltungsmaßnahmen seitens der angezeigten Personen bzw. ganz allgemein seitens des Arbeitgebers geschützt ist.
Aus diesem Grund steht das Whistleblowing in Einklang mit den Zielvorgaben der Transparenz und Effizienz der öffentlichen Verwaltung.
Bekanntermaßen wurde diese Möglichkeit auch für die öffentliche Verwaltung Südtirols eingeführt, und zwar ist unter der Webseite der Generaldirektion der Landesverwaltung eine eigene Rubrik zu die sem Thema zugänglich (http://www.provinz.bz.it/ de/transparente-verwaltung/vorbeugung-korrup tion.asp).
Mit Beschluss Nr. 212 vom 2. April 2019 hat die Landesregierung die Aufgaben des Verantwortlichen für die Korruptionsvorbeugung und des Transparenzbeauftragten in der Landesverwaltung vereint und beide Funktionen dem Generalsekretär des Landes übertragen. Die zwei mit den Beschlüssen der Landesregierung Nr. 1247 und 1248 vom 4. November 2014 getrennten Rollen werden nunmehr unter die Koordinierungstätigkeit einer einzigen Führungskraft geführt.
Das vom Land derzeit angebotene Whistleblowing-Formular weist einige Problempunkte auf und zwar:
-Auf dem Vordruck in Papierform zur Meldung unerlaubter Handlungen sind die personenbezogenen Daten des Hinweisgebers, wie Vorname, Nachname, E-Mail-Adresse und Telefon verpflichtend anzugeben;
– der Meldung – ob diese nun per E-Mail oder per Post erfolgt – ist zusätzlich zu den Identitätsdaten des Hinweisgebers die Kopie eines Identitätsausweises beizulegen.
Auch wenn laut zuständiger Landesrätin das zur Verfügung stehende Material der Generaldirektion im Grunde nur eine Unterstützung und keine obligatorische Vorlage darstellen soll (es kann grundsätzlich jede beliebige Form von Formular genutzt werden), sollte dieses Whistleblowing-Formular trotzdem entsprechend angepasst werden.
Es ist klar, dass ein Whistleblower (vor allem wenn dieser ein Angestellter der öffentlichen Verwaltung ist) ungern die eigene Identität preisgibt, umso mehr als es sich um die Meldung eventueller unerlaubter Handlungen innerhalb der eigenen Verwaltung geht, die bei einem Amt derselben Verwaltung deponiert wird.
Was sieht die Nationale Antikorruptionsbehörde (ANAC) diesbezüglich vor?
Ziel der Entscheidung Nr. 6 vom 28. April 2015 („Richtlinien im Bereich Schutz des öffentlichen Bediensteten, der unerlaubte Handlungen meldet – sog. Whistleblower“) war es, eine Regelung vorzusehen, die öffentliche Bedienstete ermutigt, unerlaubte Handlungen, von denen sie auf dem Arbeitsplatz Kenntnis erlangen, zu melden und gleichzeitig Letzteren einen angemessenen Schutz zu gewährleisten. Diese Richtlinien sehen einen Verfahrensablauf zur Bearbeitung der eingegangenen Meldungen vor, wobei ein besonderes Augenmerk auf die vertrauliche Behandlung der Daten zur Identität des Hinweisgebers gelegt wird.
Außerdem sieht die Entscheidung der ANAC zur Sensibilisierung der Bediensteten vor, dass der Verantwortliche für die Korruptionsvorbeugung regelmäßig dem Personal eine spezifische Meldung zukommen lässt, in welcher die Ziele des „Whistleblowing“ und dessen Verfahrensablauf beschrieben werden. Jede Verwaltung fasst weitere Maßnahmen zur Sensibilisierung (etwa durch Ausbildungskurse, Veranstaltungen, Artikel auf eventuellen hausinternen Medien, Newsletter und Intranet-Portale, usw.) die für die Bekanntmachung dieses Instruments als zweckdienlich erachtet werden.
Auch auf EU-Ebene wurden mit März 2019 EUweite Mindeststandards zum Schutz von Whistleblowern gefordert. Angesichts mehrerer Skandale, wie bspw. dem Facebook-Datenleck oder den sogenannten Panama Papers, die durch Whistleblower ans Tageslicht gelangten, sollen neue Regeln mehr Schutz für die Betroffenen schaffen. Mitte September 2019 wurde die EU-Richtlinie, welche alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder mehr als 10 Millionen Euro.
Jahresumsatz innerhalb der EU verpflichtet ein internes Hinweisgebersystem einzuführen, endgültig verabschiedet. Alle EU-Mitgliedstaaten haben nun bis September 2021 Zeit, das Gesetz in nationales Recht umzuwandeln. Das EUGesetz sieht ein dreistufiges Meldesystem vor, wobei sich zuerst Arbeitnehmer über interne Meldesysteme an ihre Arbeitgeber wenden sollen. Sofern die Meldung keinen Erfolg verspricht, sollen Meldungen in einem zweiten Schritt an zuständige Behörden weitergeleitet werden, die innerhalb von drei Monaten auf die Hinweise reagieren bzw. diese weiterverfolgen müssen. In letzter Instanz dürfen sich Hinweisgeber schließlich auch an die Öffentlichkeit wenden.
Der Hinweisgeber, der die eigene Identität preisgibt, muss die Gewähr auf Vertraulichkeit haben. Anonyme Hinweise und deren Bearbeitung sind auf jeden Fall möglich, doch dies erfolgt im Unterschied zu den von den ANAC-Richtlinien vorgesehenen Möglichkeiten durch andere Kanäle. So fallen anonyme Hinweise nach dem ausdrücklichen Willlen des Gesetzgebers nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 54-bis des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 165/2001, wonach die öffentlichen Bediensteten unerlaubte Handlungen, von denen sie aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses erfahren haben, melden können.
In Bezug auf den informationstechnischen Bereich, gibt die Landesverwaltung selbst zu, dass das derzeitige System Mängel aufweist. Wie in den Prämissen des Landesdekretes Nr. 22542/2016 erwähnt, hat die Landesverwaltung versucht, die im Bereich Whistleblowing erlassenen Bestimmungen und Richtlinien durch die Einrichtung einer eigenen Rubrik umzusetzen, welche online zugänglich ist; allerdings hat sie es bisher verabsäumt, die Bearbeitung der Meldungen über ein ausschließlich informatisiertes Verfahren abzuwickeln.
Daher ist es wichtig, sobald als möglich die Voraussetzungen zur Verwirklichung dieses Zieles zu schaffen, damit die Hinweisgeber nicht nur von Vergeltungsmaßnahmen, die das Klima am Arbeitsplatz beeinträchtigen (oder gar deren Arbeitsstelle gefährden) verschont bleiben, sondern auch einen aktiven Beitrag zur Bearbeitung des Falles leisten können, was manchmal von entscheidender Bedeutung sein kann. In der oben erwähnten Entscheidung der ANAC heißt es, dass zur Gewährleistung einer vertraulichen Behandlung der Daten zur Identität des Hinweisgebers, bei der Erhebung und Bearbeitung der Hinweise bevorzugt IT-Verfahren zum Einsatz kommen sollten, anstelle von Bearbeitungsabläufen, bei denen der Hinweisgeber selbst vorstellig werden muss; auf jeden Fall ist es notwendig, dass das zu diesem Zweck eingesetzte IT-System eine sichere und vertrauliche Behandlung der Meldungen gewährleistet. Außerdem sollte besagtes ITSystem es dem Hinweisgeber durch entsprechende EDV-Lösungen ermöglichen, den jeweiligen Stand des Bearbeitungsverfahrens mitzuverfolgen. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, die Akkreditierung des Hinweisgebers auf einer IT-Plattform – versehen mit der entsprechenden Software zur Bearbeitung der Hinweise – voranzutreiben, wobei die Daten zur Identität des Hinweisgebers sowie die Inhalte der Meldungen verschlüsselt werden sollten; der Hinweisgeber erhält daraufhin eine vom System gelieferte Kennnummer, durch welche er auf das IT-System zugreifen kann.
Die Entscheidung der ANAC enthält weitere Informationen zum System, das die öffentliche Verwaltung einführen sollte: Neben der Nachverfolgbarkeit der getroffenen Maßnahmen, sollte das System Garantien zur Wahrung der Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit der Daten und Informationen sicherstellen, die aufgrund des eigens von der Verwaltung festgelegten Bearbeitungsverfahrens erhoben, bearbeitet und weitergeleitet werden. Die ANAC empfiehlt insbesondere für die Datenübertragung die Anwendung von Sicherheits- und Standardprotokollen (z. B. SSL) sowie für die Hinweise und die eventuell beigelegten Unterlagen die Verwendung von End-to-End-Verschlüsselungsprogrammen. Seit dem 15. Januar 2019 ist online auf der Website der ANAC eine Software verfügbar, die jedem Interessenten kostenlos zum Download zur Verfügung gestellt wird.
In Niedersachsen stellt etwa das Landeskriminalamt den Bürgern und Bürgerinnen und den Beamten und Beamtinnen seit über zehn Jahren die digitale Plattform BKMS® System (Business Keeper Monitoring System) zur Verfügung, welche die Bearbeitung in anonymisierter Form von mehr als 2.600 Korruptionsfällen (auch bspw. von Mordfällen durch die Sendung Aktenzeichen XY) ermöglicht hat, auch dank der engen Zusammenarbeit mit den Hinweisgebern, die sich des Öfteren als ausschlaggebend erwiesen hat.
Dies vorausgeschickt verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
- ein für alle Whistleblower gültiges Formular online zur Verfügung zu stellen, dass sich am Beispiel Niedersachsen (BKMS® – Plattform) orientiert, damit einheitliche Richtlinien geschaffen werden und damit Unklarheit für die Betroffenen vermieden wird; denn laut Association of Certified Fraud Examiners – kurz ACFE (Report to the Nations, 2016), nutzen „mehr als die Hälfte der Whistleblower internetbasierte Meldewege“;
- auf jeden Fall die Geheimhaltung der Identität des Hinweisgebers zu gewährleisten, wobei im entsprechenden einheitlichen, online zur Verfügung gestellten Vordruck angegeben werden soll, dass das Ausfüllen der personenbezogenen Felder sowie die Beilage eines Identitätsausweises fakultativ sind;
- die Bearbeitung der eingegangenen Hinweise ausschließlich online durch ein IT-gestütztes Verfahren zu regeln und zu diesem Zweck sichere Verschlüsselungssysteme bei der Datenübertragung zu verwenden; dabei ist auf jeden Fall die Website mit umfassenden Informationen über den Schutz der Identität des Hinweisgebers laut Punkt 2 zu ergänzen;
- die Vorgaben der ANAC (insbesondere die Entscheidung Nr. 6 vom 28. April 2015 „Richtlinien im Bereich Schutz des öffentlichen Bediensteten, der unerlaubte Handlungen meldet – sog. „Whistleblower„) betreffend die vertrauliche Behandlung der Daten zur Identität der öffentlich Bediensteten konsequent umzusetzen;
- eine Stelle bei der Volksanwaltschaft einzurichten, die die Anonymität garantiert und die die weiteren Schritte in Richtung Veröffentlichung von besonders vertraulichen Informationen zusammen mit dem Whistleblower betreut.