Die Waldkindergärten entstanden in strukturierter Form in Skandinavien in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Einige Frauen gingen mit den eigenen Kindern und den Nachbarskindern häufig in den Wald, daraus entstanden Privatinitiativen und eine Form der Kinderbetreuung. Im deutschsprachigen Raum entstand um 1968 der erste Waldkindergarten, ebenso in Privatinitiative. In den 1990er-Jahren vermehrten sich die Waldkindergarten, es gab 1993 den ersten anerkannten Waldkindergarten in Flensburg.
In Deutschland gibt es mittlerweile weit über 1.000 Natur- und Waldkindergärten, in Österreich und der Schweiz gibt es auch viele. Auch in Südtirol entstanden seit ca. 15 Jahren mehrere Waldkindergärten. Die Finanzierung der Waldkindergärten ist verschieden. Im deutschsprachigen Ausland führen den Kindergarten meist Trägervereine, die Strukturen erhalten jedoch in den meisten Regionen staatliche Zuschüsse und Fördergelder, wie es auch bei „traditionellen“ Kindergärten üblich ist. Einige werden in Eigenregie geführt und finanziert. Eine Führung in Eigenregie ist in Südtirol in den allermeisten Waldkindergärten die Regel. Die Strukturen sind privat, also von Fördervereinen geführt und selten anerkannt. Der erste öffentliche Waldkindergarten wurde 2016 in Partschins errichtet (s. Beschluss der Landesregierung 499 vom 10. Mai 2016). Privat geführte Waldkindergärten in Südtirol müssen mit sehr wenig Mitteln auskommen. Waldkindergärtnerinnen sind in der Regel Kindergartenpädagoginnen mit Zusatzausbildungen in Waldpädagogik, Erlebnis- und Abenteuerpädagogik, Naturpädagogik o.ä.
Warum Waldkindergarten?
Waldkindergärten fördern auf nachhaltige Weise die Entwicklung von Kindern in der Begegnung mit der Natur. Sie lernen die Kreisläufe der Natur kennen und entwickeln verantwortungsvollen Umgang mit der Natur. Die Erfahrungen, die Kinder im Wald machen, fördern das Körperbewusstsein und verhelfen der Entfaltung von Wahrnehmungsund Bewegungsfähigkeiten. Der Aufenthalt im Freien stärkt das Immunsystem und die seelische Gesundheit. Durch den großen Bewegungsraum im Freien kommt es seltener zu Konflikten als in beengten Gruppenräumen.
Waldkindergärten sind praktisch ein „Kindergarten ohne Dach und Wände“. Der wesentliche Unterschied zu konventionellen Kindergärten besteht darin, dass die betreuten Kinder mit ihren Pädagoginnen und Pädagogen den Kindergartenalltag fast durchgehend außerhalb von Gebäuden, also im Wald oder auf der Wiese verbringen. Die Aktivitäten im Freien finden bei jedem Wetter statt; Einschränkungen gibt es nur bei Witterungsbedingungen, die einen sicheren Aufenthalt im Freien unmöglich machen. In Deutschland und Österreich sind allerdings eine beheizbare Unterkunft in unmittelbarer Nähe des Waldgebietes, in welcher Kinder und Erzieher bei sehr schlechten Witterungsbedingungen Schutz und Aufenthaltsmöglichkeit finden sollen, vorgeschrieben. Auch die Südtiroler Waldkindergärten haben diese Unterstellmöglichkeit. Ebenso gehören Sanitäranlagen zu den Aurüstungsstandards. Als Rückzugsmöglichkeit dienen ein beheizter Bauwagen, eine Räumlichkeit in einem öffentlichen Gebäude oder eine Waldhütte. Im Waldkindergarten gibt es keine Spielsachen, die Kinder spielen mit Naturgegenständen, die sie im Wald finden.
Die Rahmenrichtlinien des Kindergartens (laut Beschluss der Landesregierung Nr. 3990 vom 3. November 2008) können auch in einem Waldkindergarten eingehalten werden. Im „Kindergarten ohne Dach und Wände“ begleiten die Pädagoginnen und Pädagogen die Bildungsprozesse der Kinder genauso wie in einem traditionellen Kindergarten.
Waldkindergärten sollen nicht in Konkurrenz zu herkömmlichen Kindergärten stehen, sondern ein Zusatzangebot darstellen. Der Besuch des Waldkindergartens erfordert eine ebenso aufmerksame und intensive Elternarbeit wie der Besuch eines Regelkindergartens. Durch den vielen Aufenthalt im Freien beispielsweise benötigen die Kinder viel Wechselwäsche. Die meisten Waldkindergärten sind Halbtagsangebote, da gerade bei nassen Witterungsverhältnissen ein längerer Aufenthalt im Freien nicht durchführbar oder ratsam ist. Nichtsdestotrotz sind auch in Waldkindergärten Ganztagsangebote möglich und umsetzbar. Dies hängt maßgeblich von den zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und den Verpflegungsmöglichkeiten ab. Als Sektion eines öffentlichen Kindergartens könnte der Kindergartenalltag größtenteils in einem Waldstück stattfinden, das Essen könnte im Freien oder bei schlechter Witterung in den Räumlichkeiten eingenommen werden.
Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, dass wir unsere Betreuungs- und Bildungsmuster grundlegend überdenken müssen, daher scheint eine Integrierung eines Waldkindergartens im Bildungssystem eine mögliche Lösung. Not- und Sommerbetreuung im Jahr 2020 soll vorwiegend im Freien stattfinden, was liegt da näher, als einen Waldkindergarten zu initiieren? Schon allein das Abstandhalten ist im Freien einfacher, das Infektionsrisiko geringer. In Zukunft müssen wir sicherlich mehr Überlegungen anstellen, wie wir mit dem geringen Platz und den Abstandsregeln umgehen. In den aktuellen Strukturen haben wir nicht ausreichend Quadratmeter. Außerdem gibt es bereits Kindergartenpädagoginnen, die die benötigten Zusatzqualifikationen besitzen. Gemeinsam mit Kindergartensprengeln und Gemeinden ist es mit geringen Kosten möglich, geeignete Räumlichkeiten und Waldstücke zu finden, um Waldkindergartensektionen in den Kindergärten zu errichten, zu denselben Bedingungen wie der öffentliche Kindergarten (Gebühren, Zeiten, Ausbildung des Personals usw.).
Dies vorausgeschickt verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung:
- Waldkindergärten als Zusatzangebot in den Kindergärten des Landes Südtirol zu errichten;
- Waldkindergärten in die Sommerbetreuung miteinzubeziehen mit dementsprechender Finanzierung;
- die Errichtung von Waldkindergärten zu fördern.