Ziel dieses Beschlussantrages ist es, das Verfahren für die Erlangung des Zweisprachigkeitsnachweises dahingehend abzuändern, dass alle beliebigen Kombinationen von Sprachzertifikat, Bildungsweg und monolingualer Sprachprüfung zu diesem Zweck anerkannt werden. Darüber hinaus soll das Sprachniveau an den jeweiligen Schulabschluss gekoppelt werden.
Immer mehr Bürgerinnen und Bürger erwerben im Laufe der Oberschule oder eines Universitätsstudiums ein international anerkanntes Sprachzertifikat1 . Derzeit kann der vom Land gemäß Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 752/1976 ausgestellte Zweisprachigkeitsnachweis erlangt werden, indem ein Sprachzertifikat entweder mit einem anderen Sprachzertifikat oder mit einer einsprachigen Prüfung in der jeweils anderen Sprache kombiniert wird. Ein Sprachzertifikat in Verbindung mit einem Schulabschluss oder mit einem Studiengang wird hingegen nicht anerkannt. So ist es beispielsweise derzeit nicht möglich, den Maturaabschluss in deutscher Sprache mit einem Sprachzertifikat für die italienische Sprache zu kombinieren: In diesem Fall muss in der Dienststelle für die Zwei- und Dreisprachigkeitsprüfung eine einsprachige Prüfung in Deutsch abgelegt werden, weil die Matura nicht als ausreichender Nachweis für das deutsche Sprachniveau anerkannt wird.
Dagegen reicht eine Kombination der deutschsprachigen Matura mit einem überwiegend italienischsprachigen Universitätsstudium aus, um ohne weitere Prüfung den Zweisprachigkeitsnachweis der Stufe C1 zu erlangen. Im ersteren Fallbeispiel wird die deutschsprachige Matura also nicht als ausreichender Nachweis für die Kenntnis der deutschen Sprache bewertet, im zweiten Fall hingegen schon.
In anderen Worten: Nach derzeitigem Stand werden nicht alle beliebigen Kombinationen erschöpft, die unserer Meinung nach legitim wären, um den Zweisprachigkeitsnachweis zu erlangen. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung von Bürgerinnen und Bürgern, die in unterschiedlichen Formen und auf verschiedenen Wegen (Sprachzertifizierung, Schulabschluss, Universitätsstudium) die erforderliche Sprachkompetenz erreicht haben, um den Zweisprachigkeitsnachweis zu erlangen.
Nehmen wir in diesem Zusammenhang ein weiteres Beispiel, das sicherlich für einige wenige Fälle relevant ist, das aber die Vorteile der Kombinationsfreiheit gut veranschaulicht: Bislang genügt ein abgeschossenes dreijähriges Studium in deutscher Sprache in Verbindung mit einem abgeschossenen dreijährigen Studium in italienischer Sprache nicht aus, um den Zweisprachigkeitsnachweis zu erlangen. Unserer Meinung nach sollte hingegen der Grundsatz gelten, wonach ein abgeschlossenes Universitätsstudium – sofern es zu einem bestimmten Anteil in einer Sprache absolviert wird (wie in den geltenden Landesvorschriften geregelt) – einem Sprachniveau der Stufe C1 für diese Unterrichtssprache entspricht. Nach dieser Logik sollte auch ein dreijähriges Studium, das vorwiegend in italienischer Sprache absolviert wurde, in Verbindung mit einem dreijährigen Studium in deutscher Sprache die Erlangung des Zweisprachigkeitsnachweises C1 (vormals Stufe A) ermöglichen.
Um eine Ungleichbehandlung zu vermeiden, indem nur bestimmte Kombinationen zugelassen werden, wäre es daher einfacher und naheliegender, das Prinzip einzuführen, wonach jede Schullaufbahn, jeder Studiengang und jedes Sprachzertifikat, das auf internationaler Ebene und von der Dienststelle für die Zwei- und Dreisprachigkeitsprüfung anerkannt ist, an ein bestimmtes Sprachniveau gekoppelt wird, so dass sie für die Erlangung des Zweisprachigkeitsnachweises beliebig kombiniert werden können.
Mit diesem Vorschlag möchten wir keine neuen Formen der Sprachzertifizierung einführen und schon gar nicht die Erlangung der Sprachzertifikate erleichtern, sondern lediglich die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten nach dem oben geschilderten Prinzip neu ausrichten.
Wir sind uns der Notwendigkeit bewusst, die Sprachkenntnisse in der Gesellschaft und damit in Schule und Universität laufend zu verbessern. Sinn und Zweck dieses Antrags ist es jedoch vor allem, den bürokratischen Aufwand und die Verwaltungskosten zu verringern und somit den Bürgerinnen und Bürgern umfassendere Möglichkeiten zu bieten, sich ihre Sprachkenntnisse bescheinigen zu lassen, indem ihnen etwa eine einsprachige Prüfung in der Sprache, in der sie die Reifeprüfung abgelegt haben, erspart bleibt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass laut ASTAT3 23 % der Zweisprachigkeitsprüfungen im Jahr 2017 in Form einer einsprachigen Prüfung mit der Anerkennung eines Zertifikats für die andere Sprache abgelegt wurden. Bei der Stufe C1 (vormals Stufe A) trifft dies sogar in 45 % der Fälle zu.
Darüber hinaus halten wir es im Einklang mit den im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) und mit den darin geforderten Sprachkompetenzen für notwendig, den Grundsatz einzuführen, dass ein erlangter Schulabschluss zwangsläufig auch die Beherrschung der jeweiligen Unterrichtssprache voraussetzt. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass eine bestandene Matura mit Sprachkenntnissen der Stufe C1 in der jeweiligen Unterrichtssprache einhergeht. Dies wird übrigens durch die Kombination von Matura in der Erstsprache und Hochschulabschluss in der Zweitsprache, die bereits heute für den Erwerb des Zweisprachigkeitsnachweises der Stufe A (C1-Kenntnisse in beiden Sprachen) anerkannt wird, implizit bestätigt (siehe Artikel 3 Absatz 9-ter des DPR 752/1976). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Freie Universität Bozen bereits derzeit das Niveau C1 für die vorwiegende Unterrichtssprache der Schullaufbahn – die Sprache, in der auch die Reifeprüfung abgelegt wurde – anerkennt. In anderen Worten: Wer dieses Prinzip verneint, behauptet implizit, dass ein Schüler, der seinen Schulabschluss z. B. in Deutsch absolviert und die Reifeprüfung bestanden hat, die deutsche Sprache nicht auf C1-Niveau beherrschen würde.
Folgerichtig ist anzunehmen, dass ein Schüler nach Abschluss der Mittelschule (Abschlusszeugnis einer Sekundarschule ersten Grades) zumindest das Niveau B2 in der vorwiegenden Unterrichtssprache seines Bildungsweges erlangt hat, und dass ein Kind nach Abschluss der Grundschule über Sprachkenntnisse der Stufe B1 verfügt.
Abschließend beantragen wir die Anerkennung des Dreisprachigkeitsnachweises der Stufe C1 für alle Schülerinnen und Schüler der mehrsprachigen Schulen in den ladinischen Tälern. Hier besuchen die Schülerinnen und Schüler mindestens 10 Jahre lang den Sachunterricht in allen drei Landessprachen – Ladinisch, Deutsch und Italienisch – und müssen bei der Reifeprüfung beweisen, diese drei Sprachen zu beherrschen.
Dies vorausgeschickt verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
- den Entwurf zu einer Durchführungsbestimmung auszuarbeiten und der paritätischen Sechserkommission sowie anschließend dem Ministerrat zur endgültigen Genehmigung zu unterbreiten. Darin soll der DPR Nr. 752 vom 26. Juli 1976 wie folgt abgeändert und ergänzt werden:
a) Jede Schullaufbahn, jeder Studiengang und jedes anerkannte Sprachzertifikat wird an ein bestimmtes Sprachniveau in der vorwiegenden Unterrichtssprache des entsprechenden Bildungsweges, Studienganges oder Sprachzertifikats gekoppelt. Somit können sämtliche Ausbildungsnachweise im Hinblick auf die Erlangung des Zweisprachigkeitsnachweises gemäß der beiliegenden Übersicht (Anhang A) beliebig kombiniert werden.
b) Absolventinnen und Absolventen einer Sekundarschule zweiten Grades (Maturaabschluss) in den ladinischen Tälern Südtirols erhalten den Dreisprachigkeitsnachweis der Stufe C1 (vormals Stufe A), sofern sie einen mindestens zehnjährigen Schulbesuch in einer ladinischen Ortschaft nachweisen können.