Im Zeichen der Corona-Krise ist Umdenken notwendig. Gerade unter diesen Vorzeichen erscheint es angebracht, die Neugestaltung des Hofburggartens nach dem Heller Konzept erneut auf den Prüfstand zu stellen. Unter der Drohung einer schweren Wirtschaftskrise muss die Gestaltung des Hofburggartens mit den zu erwartenden Kosten von mehr als 10 Millionen Euro grundlegend neu bewertet werden.
Die Corona-Krise hat Ziele und Aufgaben von Politik und Wirtschaft weltweit grundlegend verändert, ebenso in Südtirol und in seinen Gemeinden. Neben der COVID-Pandemie und ihren tragischen Folgen sind die vor Kurzem noch kaum vorstellbare Wirtschaftskrise und ihre psychosozialen Auswirkungen vordringlich. Viele Bürgerinnen und Bürger sind von Arbeitslosigkeit, Einkommensverlusten und Geschäftssperren hart getroffen. Auch die heimischen Künstler/innen wurden hart getroffen und stehen zum Teil vor dem finanziellen Abgrund. Unter den Bedingungen einer schweren, wahrscheinlich über Jahre hin drohenden Rezession müssten in Brixen Vorhaben wie die Gestaltung des Hofburggartens grundlegend neu bewertet werden. Die politischen Verantwortlichen im Lande und in der Gemeinde Brixen, aber auch große Teile der Bevölkerung müssen sich fragen, ob das auf 10 Millionen Euro veranschlagte Heller-Hofburgprojekt unter den neuen Bedingungen noch mit gutem Gewissen unter dieser schwierigen wirtschaftlichen Lage weiter vertretbar ist.
Drei wesentliche Gründe laden zu einer Neubewertung und zum Umdenken ein:
- Die erheblichen Geldmittel, die aufgrund des Vorschlags Hellers für die Garten-Gestaltung angesetzt sind, müssen weit gehend der Bekämpfung der Krise und ihrer Folgen dienen. Die Realisierung dieses Schaugartens ist zum jetzigen Zeitpunkt zweitrangig, wenn Einkommen und Existenz vieler Bürgerinnen und Bürger, die vorab finanzielle Unterstützung verdienen, auf dem Spiel stehen.
- Die künftigen Aufgaben der Gemeinde dürften vor allem in der Abfederung sozialer Folgen der COVID-Pandemie liegen, im Ausbau dringlicher Vorhaben und der Stabilisierung des geschwächten Gemeindehaushaltes.
- Für die Brixner*innen und Gäste muss prioritär die Wiedergewinnung einer angemessenen Lebensqualität stehen, nicht aber die Schaffung einer Tourismus-Attraktion im Vordergrund stehen. Der Tourismus steht nach der COVIDPandemie vor einer Neuausrichtung, die statt hoher Gästezahlen, verstärkt auf Überschaubarkeit und ökologische Verträglichkeit abzielt.
Aus diesem Grund ist der Neubewertung des überteuerten und den Bedürfnissen der Bevölkerung nicht entsprechenden Heller-Projektes Rechnung zu tragen.
Der Hofburggarten Brixen wurde im Jahre 2008 von der Gemeinde Brixen von der Diözesanverwaltung zur öffentlichen Nutzung angemietet. Nach einem partizipativen Prozess mit der Bevölkerung genehmigte der Stadtrat im März 2015 ein reduziertes, durch einen europäischen Wettbewerb von erfahrenen Landschaftsarchitekten (Freilich Landschaftsarchitektur – Höller&Klotzer) erstelltes Hofburg-Projekt von 2,5 Millionen €. Das garten- und landschaftsgerecht ausgearbeitete Projekt mit einem ursprünglich geschätzten Kostenpunkt von ca. 4,5 Millionen Euro fand nach der Gemeinderatswahl 2015 nicht mehr die Zustimmung der neu gewählten Gemeindeverwaltung. Im Dezember 2017 wurde der Multi-MediaKünstler Andrè Heller mit der Ausarbeitung eines Konzepts für einen Wundergarten beauftragt. Das Siegerprojekt der Landschaftsarchitekten Freilich&Klotzer wurde fallen gelassen und finanziell entschädigt.
Der nur rudimentär vorhandene Entwurf von Andrè Heller geht aus der Sicht vieler namhafter Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner, von Kunst- und Denkmalpfleger in eine völlig falsche Richtung; es entsteht keine bürgernahe, frei zugängliche Gartenanlage, sondern eine Gartenanlage mit Personenkult-Charakter, die dem kulturhistorischen zentralen Ensemblecharakter für die Stadt Brixen und Südtirol widerspricht.
Seit dem Jahr 2008 wurden bisher für Planung, Projektkosten und Miete über 850.000 € ausgegeben. Die Sanierungskosten des kontaminierten Bodens werden mit ca. 500.000 € für die Abtragung und Entfernung berechnet, welche ausschließlich von der öffentlichen Hand und nicht vom Verursacher zu bezahlen sind.
Wir müssen uns fragen, ob ein 10 Millionen Euro-Projekt plus 1,3 Mio. € Fruchtgenuss extra auf 30 Jahren für die Diözesanverwaltung in Zeiten wirtschaftlicher und sozialer Krise noch vertretbar ist. Gerade jetzt zu einem Zeitpunkt, da auch in Südtirol zehntausende Beschäftigungslose auf die Auszahlung der Zuwendungen aus der Lohnausgleichskasse warten. Ist es zu rechtfertigen, dass einem Multi-Media-Künstler wie Heller und seinem Büro am Ende 1,4 Mio. € zugeschoben werden, während Dutzende Kulturschaffende in unserem Lande ums Überleben kämpfen. Das frühere Siegerprojekt von FreilichKlotzner wäre um die Hälfte zu haben und könnte bereits realisiert sein.
Unter diesen Gesichtspunkten müssen sich die Landesregierung und die Gemeindeverwaltung fragen, ob das überteuerte Heller – Projekt unter den neuen wirtschaftlichen Bedingungen noch mit gutem Gewissen vertretbar ist oder ob nicht einfachere, bürgernahe und kostengünstigere Lösungen für den Hofburggarten, die rascher umgesetzt und der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen, verwirklicht werden sollten.
Das bisher vorliegende positive Gutachten des Museumsbeirates bezieht sich nur auf das erste Baulos des Museumsprojektes, während für das zweite Baulos erst zu einem späteren Zeitpunkt die Begutachtung erfolgt. Von Seiten der Abteilung Denkmalpflege liegt zum Heller Projekt keine Ermächtigung vor, sondern nur ein Vorgutachten vom März 2019. Die Abteilung Denkmalpflege will erst nach Vorliegen eines Einreichprojektes ihr Gutachten abgeben. Dabei darf die Abteilung Denkmalpflege aber niemals eine Denkmalschutzbindung des Hofburggartens mit Hofburg zugunsten einer „künstlerisch-medialen Wunderkammer“ aufheben. Bereits jetzt hat der Landes-Sachverständigenbeirat zum Ensembleschutz am 12.6.2020 ein negatives Gutachten abgegeben
Dies vorausgeschickt, verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung
- einer weiteren Finanzierung des Projektes zur Neugestaltung des Hofburggartens unter den neuen Rahmenbedingungen der anbahnenden Wirtschaftskrise über den Landeshaushalt nur in dem Fall zuzustimmen, wenn seitens der Gemeinde und Planer ein umfassendes Projekt mit Führungskonzept, realistischem Business-Plan und Führungskosten vorliegt, über das der Museumsbeirat und die Denkmalpflege ein positives Gutachten erteilt hat;
- die Denkmalschutzbindung des Hofburggartens nicht aufzuheben;
- die weitere Finanzierung nur dann zu erteilen, wenn dieses Projekt durch Land, Gemeinde und Planer der Bevölkerung vorgestellt wurde;
- eine weitere Finanzierung durch die Landesregierung nur dann zu gewähren, wenn der Garten den Bürgern der Stadt Brixen mit ganzjähriger Öffnung und Durchwegung kostenfrei zur Verfügung steht;
- eine weitere Finanzierung erst dann zu genehmigen, wenn ein Verkehrs- und Parkkonzept für die privaten und öffentlichen Verkehrsmittel vorliegt;
- die Eigentümer im Sinne des Verursacherprinzips zur Beteiligung an der Bodensanierung des Hofburggartens zu verpflichten;
- die 80% Finanzierungsbeitrag des Landes nur zu gewähren, wenn durch den Businessplan und durch die Vereinbarung zwischen Land und Gemeinde garantiert wird, dass die Gemeinde die Führung des Hofburggartens vertraglich finanziell garantiert und für die anfallenden Folgekosten selbst aufkommt.