Ein Blick auf die WOBI-Ranglisten macht deutlich, dass in Südtirol ein erheblicher Bedarf an Sozialwohnungen sowie Wohnungen zu reduzierten Mietzinsen besteht. Paradoxerweise gibt es in unserem Land eine hohe Anzahl an Wohnungen, die absichtlich aus den verschiedensten Gründen nicht vermietet werden (allein in Bozen sind es angeblich ca. 4.000). Gleichzeitig gibt der Bodenverbrauch in Südtirol und in der Landeshauptstadt Anlass zur Sorge, wobei das WOBI gezwungen ist, Baugrund für die Errichtung neuer Gebäude anzukaufen, um die Nachfrage nach Sozialwohnungen einigermaßen zu decken. Diese drei Phänomene sollten uns zum Nachdenken anregen und dazu bewegen, nach Lösungen zu suchen.
Leider besitzen wir keine verlässlichen Daten über den tatsächlichen Leerstand der Wohnungen in Südtirol. Ein in diesem Sinne wichtiges Instrument, nämlich die Meldepflicht für leerstehende Wohnungen an die Gemeinde, war im Landesgesetz Nr. 14/1985 enthalten (Verzeichnis der leerstehenden Wohnungen), welches in der Zwischenzeit abgeschafft wurde. Eine genaue Erhebung der leerstehenden Wohnungen ist aber Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, nicht nur aus Gründen der Raumordnung und der Wohnbaupolitik, sondern auch aus der Sicht des ordnungsgemäßen Umgangs mit öffentlichen Geldern, zumal die mit dem Landesgesetz Nr. 3/2014 eingeführte Gemeindeimmobiliensteuer (GIS) für dieselben Gemeinden eine wichtige Einnahmequelle darstellt. Bekanntlich wird für Wohnungen, für welche über ein Jahr lang kein Mietvertrag registriert wurde und keine der vorgesehenen Begünstigungen in Frage kommt, ein höherer Steuersatz angewandt. Folglich führt das Fehlen einer Kontrolle über die Nutzung des Wohnbestands und die teilweise oder nachlässige Anwendung des Steuersatzes zu einem Einnahmeausfall und einem finanziellen Schaden für die öffentliche Hand.
Sobald das tatsächliche Ausmaß des Leerstands geklärt ist, könnte das WOBI die unvermieteten Wohnungen anmieten und als Sozialwohnungen weitervermieten, um dadurch die hohe Anzahl an unvermieteten Wohnungen zu drosseln, auf die große Nachfrage nach Sozialwohnungen zu reagieren und den Bodenverbrauch durch die Vermeidung von Neubauten einzuschränken. Man könnte folgendermaßen vorgehen: Das WOBI könnte die Wohnungsbesitzer durch einen finanziell angemessenen, festzulegenden Mietzins dazu bringen, ihre Immobilien dem Institut zu vermieten, das sie dann wiederum den Familien mit Anrecht auf eine Sozialwohnung vermieten würde.
Das WOBI würde somit den reduzierten Mietzins eintreiben und die Differenz zwischen letzterem und den mit den Eigentümern vereinbarten Mietzins mit Mitteln aus dem Landeshaushalt ergänzen.
Ein weiterer Vorteil wäre der damit erzielte Schutz der Vermieter: Im Gegensatz zu den privaten Mietern wären für die Eigentümer durch das WOBI pünktliche Zahlungen sowie die pünktliche Rückgabe der Immobilie im gleichen Zustand, in dem sie übergeben wurde, gewährleistet.
Der offensichtlichste Vorteil im öffentlichen Interesse würde darin bestehen, dass der Bau neuer Wohnhäuser (fast immer auf Grundstücken, die sehr teuer angekauft werden müssen) und folglich ein weiterer Bodenverbrauch vermieden werden, zumal Grund und Boden Allgemeingüter sind, die begrenzt vorhanden sind und leider immer knapper werden. Darüber hinaus würde damit ein flexibles Instrument eingeführt, um eine Konzentration der Familien mit Anrecht auf eine Sozialwohnung im selben Gebiet zu vermeiden, was manchmal zu sozialen Problemen führen kann. Hingegen würden diese Familien innerhalb der verschiedenen Ortschaften gleichmäßig verteilt, was zweifelsohne Vorteile sozialer Natur sowie aus der Sicht der öffentlichen Ordnung mit sich bringen würde.
Um einen treffsicheren Vorschlag zu erarbeiten, sollten verschiedene Maßnahmen überprüft werden sowie die reale Marktlage. Durch eine Marktanalyse soll vorab unter den Eigentümerverbänden geklärt werden, ab welchem Quadratmeterpreis das Vermieten einer Immobilie verschiedener Größen attraktiv wird und Richtwertmieten definieren. Außerdem sollte erhoben werden, welche im Allgemeinen die Gründe dafür sind, dass viele lieber die Kosten einer leerstehenden und somit unproduktiven Immobilie auf sich nehmen. Eine Änderung des Landesgesetzes vom 23. April 2014, Nr. 3, zur Gemeindeimmobiliensteuer, welches für die Eigentümer unvermieteter Wohnungen eine Erhöhung der GIS vorsieht, etwa gestaffelte Steuersätze je nach Dauer des Leerstands oder bei Weigerung des Eigentümers, einen Vertrag mit dem WOBI abzuschließen, wäre denkbar, sollte aber als letzte Maßnahme angesehen werden. Vorzugsweise sollten die Vorteile des Vermieterschutzes durch das öffentliche WOBI als Anmieter ausreichen, um das Vermieten dieser Wohnungen wieder attraktiv zu machen. Eine Praxis, die vom WOBI im Jahre 2012 zum letzten Mal angewendet wurde. Für den Vermieter bietet sich der Vorteil, dass er dadurch eine sichere Einnahmequelle hat ohne Mietausfälle (wenn auch ein wenig unter dem Markt-Richtwert) und dass die öffentliche Hand die Unversehrtheit der Immobilie garantiert.
Dies vorausgeschickt, verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
- die Meldepflicht für leerstehende Immobilien an die Gemeinden erneut einzuführen (wie sie im Landesgesetz Nr. 14/1985 vorgesehen war). Diese Bestimmung ist durch eine Meldefrist und entsprechende Strafen bei Zuwiderhandlung zu ergänzen. Außerdem sind die Gemeinden verpflichtet, den Leerstand über EDVSysteme zu ermitteln und die Daten des Katasteramtes mit jenen des Einwohnermeldeamtes zu vergleichen;
- an einer Lösung zu arbeiten, um die Eigentümer leerstehender Wohnungen anzuregen, diese zu vermieten, und zwar unter den in der Einleitung genannten Bedingungen: Mietvorschlag zu einem angemessenen, festzulegenden Mietzins, Sicheres Vermieten durch öffentliche Garantie des Mietzinses, Eintreibung des vom Mieter entrichteten sozialen Mietzinses sowie Übernahme der Differenz zwischen letzterem und dem mit den Eigentümern vereinbarten Mietzins zulasten des Landeshaushaltes;
- über das WOBI und die für den Wohnbau zuständige Landesabteilung dafür zu sorgen, dass der organisatorische und technische Rahmen für die Umsetzung des Vorschlages gemäß Punkt 2 festgelegt wird.