Das Landesstatistikinstitut ASTAT hat auf Grundlage der vom NISF zur Verfügung gestellten Daten der unselbständig Beschäftigten in Südtirol die Löhne der Beschäftigten in der Privatwirtschaft analysiert. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Ermittlung des Lohnunterschiedes zwischen beschäftigten Männern und Frauen, dem sogenannten Gender Pay Gap gelegt.
Bei der Analyse der Daten unter dem Gesichtspunkt „gleiche Entlohnung bei gleicher Arbeit“ liegt der durchschnittliche Gender Pay Gap in Südtirol bei 17,2 %. Um die Daten zu präzisieren wurden für diese Analyse Vollzeitbeschäftigte unter Berücksichtigung des Wirtschaftssektors, der beruflichen Qualifikation, der Vertragsart, der Anzahl der vergüteten Stunden und des Alters berücksichtigt.
Die genannte Analyse belegt, dass der Gender Pay Gap zu Gunsten der Männer mit zunehmendem Alter kontinuierlich ansteigt. Er beträgt bei den 20- bis 24-Jährigen: 3,4 %, bei den 30- bis 34-Jährigen: 10,4 % und bei den 45- bis 49- Jährigen 19,8 %.
Diese Daten lassen den Schluss zu, dass die zeitweise Abwesenheit vom Arbeitsplatz, welche für Frauen vor allem aus familiären Gründen gilt, großen Einfluss auf die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern haben kann. Jedenfalls ist eine Zunahme des Gender Pay Gap in jenen Altersklassen zu verzeichnen, in denen viele Frauen aus familiären Gründen vorübergehend aus dem Arbeitsleben aussteigen.
Vor allem im Dienstleistungssektor sind die Arbeitnehmerinnen am stärksten benachteiligt: Hier beträgt der Gender Pay Gap 31,6 %, das entspricht einer durchschnittlichen Tagesentlohnung von 85,16 Euro für Frauen und 124,57 Euro für Männer.
In Südtirol arbeiten die meisten Arbeitnehmerinnen im Gastgewerbe, wo ein Gender Pay Gap von 12,8% zu Gunsten der Männer besteht. Dies entspricht einer Tagesentlohnung für Frauen von 86,91 Euro, während Männer für die gleiche Arbeit einen Tageslohn von 99,70 Euro gezahlt bekommen. Beträchtlich ist auch der Lohnunterschied im Sektor Finanz- und Versicherungsdienstleistungen: Hier liegt er bei bemerkenswerten 29,3 %.
Die angeführte Studie belegt weiters, dass Frauen nicht nur traditionsweise in Sektoren mit niedriger Entlohnung beschäftigt sind, sondern besonders oft mit einem befristeten oder saisonalen Arbeitsvertrag angestellt werden. Dies gilt für 46,4 % der Frauen, während nur 27,8 % der Männer auf derart prekäre Arbeitsverträge angewiesen sind. Nicht zu vergessen, dass Frauen in den höchsten Einkommensklassen massiv unterrepräsentiert sind: Nur 1,4 % der berufstätigen Frauen sind Führungskräfte oder leitende Mitarbeiterinnen, bei den Männern sind es 4 %.
Der Vergleich der bisher publizierten Daten zeigt, dass sich der Gender Pay Gap in den vergangenen Jahren in Südtirol nicht verändert, sondern tendenziell verschlechtert hat: 2009 betrug er 16,5 % seither liegt er in etwa bei 17 %.
Die deutlichen Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sind unter anderem darauf zurückzuführen, dass unsere Gesellschaft nach wie vor von althergebrachten Rollenmustern geprägt ist. Frauen sind für die Familie zuständig, und können deshalb häufig nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, mit der langfristigen Konsequenz, dass niedrige Löhne im Alter zu niedrigen Renten werden.
Dänemark hat bereits im Jahre 2007 den Equal Pay Act eingeführt. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen dazu, ihre Gehaltsstatistiken in Bezug auf das Geschlecht zu veröffentlichen. In einer Studie wurde der Zeitraum von 2003 bis 2008 verglichen, also eine Zeitspanne vor und nach der Veröffentlichung des Gesetzes. Dabei wurde festgestellt, dass Frauen in Unternehmen mit eingeführter Gehaltstransparenz höhere Gehaltserhöhungen bekamen als in Unternehmen, die nicht zu dieser Transparenz verpflichtet waren.
In Deutschland ist das „Entgelttransparenzgesetz“ (EntgTranspG – Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen – das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit) seit dem 6. Juli 2017 in Kraft. Es wurde ein individueller „Auskunftsanspruch“ der Arbeitnehmerinnen gegenüber ihrem Arbeitgeber eingeführt, geltend für Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeiter*innen. Frauen, die sich hinsichtlich der Entlohnung gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt fühlen, können verlangen, dass das Gehalt einer Vergleichsgruppe offengelegt wird. Nicht von einzelnen Kollegen, sondern von einer anonymen Gruppe männlicher Kollegen, die die „gleiche“ oder eine „gleichwertige“ Arbeit erledigen.
Dies vorausgeschickt, verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung:
- Das Land Südtirol führt als ersten Schritt zur Verminderung des Gender Pay Gaps die „verpflichtende Lohntransparenz“ für Privatbetriebe für die nächsten 3 Jahre ein: Die Firmen legen nach Geschlechtern getrennte Gehaltslisten für ihre Mitarbeiter*innen vor. Verglichen werden die Gehälter von Angestellten, die die „gleiche“ oder „eine gleichwertige“ Arbeit erledigen. Für Betriebe mit über 100 Mitarbeiter*innen ist diese jedenfalls verpflichtend. Für Betriebe mit weniger als 100 Mitarbeiter*innen ist sie dort verpflichtend, wo mindestens drei Mitarbeiter*innen pro Geschlecht in gleicher Position arbeiten.
- Die Gewährung der meist genutzten Wirtschaftsförderungen des Landes (z. B. Beiträge für Maßnahmen zur Förderung von Beratung, Ausbildung und Wissensvermittlung der Unternehmen und Beiträge für Maßnahmen zur Unterstützung der Internationalisierung der Unternehmen) sind an die Einhaltung der Verpflichtung zur Lohntransparenz und an die Vorlage der Dokumentation „verpflichtende Lohntransparenz“ gebunden.
- Die IRAP-Senkung von Firmen wird an die Einhaltung der Verpflichtung zur Lohntransparenz für Unternehmen mit mindestens drei Mitarbeiter*innen in ähnlicher Position gebunden.
- Die „verpflichtende Lohntransparenz“ sieht vor, die geforderten Daten an die Landesverwaltung zu überliefern. Diese übernimmt die zentrale Sammlung und Auswertung der Daten. Nach zwei Jahren wird dem Landtag ein Bericht vorgelegt.