Der öffentliche Personennahverkehr hat eine grundlegende Aufgabe zu erfüllen: Er sollte das Recht auf Mobilität der Bürger sicherstellen, gleichzeitig die ökologische Nachhaltigkeit gewährleisten und zu einer Reduzierung des motorisierten Pkw-Verkehrs führen. Letztere ist eine grundlegende Voraussetzung, will man den Klimawandel (diesbezüglich sei auf den Klimaplan 2050 verwiesen) sowie die Luftverschmutzung und die Lärmbelastung bekämpfen und gesündere Städte mit einer höheren Lebensqualität für die Stadtbewohner haben.
Darüber, welches das effizienteste Verwaltungsmodell zur Erreichung dieser Ziele sei, scheiden sich die Geister, denn dazu gibt es unterschiedliche Vorstellungen, auf die wir nicht näher eingehen werden. Doch die Gegebenheiten in Südtirol sind bekannt: Hier arbeiten aufgrund erteilter Konzessionen die private Gesellschaft SAD – Nahverkehr AG und das Konsortium Libus sowie die Sasa AG, die nunmehr eine In-House-Gesellschaft ist. Die Trentiner haben hingegen mit Trentino Trasporti das Modell der öffentlichen Gesellschaft bevorzugt. Der Personennahverkehr auf der Straße ist in Südtirol – in groben Zügen – wie folgt gegliedert: in Stadtlinienverkehr, mit dem die Sasa betraut wurde, und in Überlandverkehr, welcher der SAD und dem Konsortium Libus vergeben wurde; letzteres ist ein Zusammenschluss verschiedener Unternehmen, darunter einige mittlerer Größe (Silbernagel, Pizzinini, Taferner, Oberhol lenzer) aber auch zahlreiche Kleinunternehmen, die allerdings als lokale Akteure vor Ort präsenter und im Territorium stark verwurzelt sind. Diese Unternehmen beschäftigen nämlich oft lokale Arbeitskräfte – einheimische Busfahrer, die sich mit dem Betrieb identifizieren – und stellen daher einen beachtlichen Mehrwert dar.
Der durch die neuen EU-Bestimmungen und das neue Gesetz zur öffentlichen Mobilität (LG Nr. 15 vom 23. November 2015) vorgegebene Rechtsrahmen sieht im Wesentlichen neben der Konzessionsvergabe durch Ausschreibung in Teillose oder mit einem einzigen Los auch die Möglichkeit der Vergabe des Linientransportdienstes an eine In-House-Gesellschaft vor. In den letzten Jahren konnte man gerade im Bereich des ÖPNV feststellen, dass die Handhabung der Ausschreibungsergebnisse – insbesondere in der Phase nach der Ergebnisverkündung – sich äußerst schwierig gestaltete. Die in der Toskana, in Umbrien und Apulien gesammelten Erfahrungen zeigen nämlich, dass die als Sieger hervorgegangenen Unternehmen etliche Jahre nach der Ergebnisverkündung immer noch auf die endgültige Zuschlagserteilung warten, da die Zweitplatzierten überall Rekurs eingelegt haben.
Dies vorausgeschickt, kommen wir nun zum Kern der Sache. Der öffentliche Personennahverkehr ist ein grundlegender Dienst für die Bürger, der großteils mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Vor allem in Südtirol ist der Markt in diesem Bereich – aufgrund der geographischen Beschaffenheit dieses Landes (mit zahlreichen, oft dünn besiedelten Tälern) – eher komplex und zum Teil unattraktiv für den Privatanbieter, wenn nicht die massive öffentliche Finanzierung wäre. Definitionsgemäß handelt ein Privatunternehmen nach der Profitlogik, ein Ziel, das allerdings nicht für den öffentlichen Transportdienst gelten sollte, vor allem auf einem Marktsektor, wo die betrieblichen Entscheidungen aufgrund der geltenden Gesetzesbestimmungen, der Dienstleistungsaufträge und der Markteigenschaften selbst sehr begrenzt sind. Etwaige Gewinne gehen an die Aktionäre und – bei einer europaweiten Ausschreibung mit einem ausländischen Bewerber als Sieger – würden diese nicht einmal im Land verbleiben. Die Privatisierung des ÖPNV – sowohl auf staatlicher als auch auf lokaler Ebene – führt Schritt für Schritt zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten dieser Branche, vor allem der Busfahrer. Auch in Südtirol sind die unzähligen Streiks der SAD-Beschäftigten ein Zeichen großer Unzufriedenheit und wirken sich letztendlich mit Verspätungen und Unannehmlichkeiten negativ auf die Passagiere aus. Diese logische Schlussfolgerung – die Ausschreibungen führen unweigerlich trotz detaillierter Musterlastenhefte zu einem Sieger, welcher aufgrund des angebotenen Abschlags versuchen wird, den Verlust durch Kostenminimierung wettzumachen, um doch noch einen Gewinn zu erzielen – beeinflusst notgedrungen auch andere betriebliche Entscheidungen, mit Einsparungen im Hinblick auf Fuhrpark, Instandhaltung, Reinigungsdienst usw., was unausweichlich die Qualität des angebotenen Dienstes beeinträchtigt.
Zudem sollte berücksichtigt werden, dass das ITSystem für den Südtirol-Pass endlich an die STA, ebenfalls eine In-House-Gesellschaft, übergegangen ist, wobei die Verwaltungskontrolle zu den Aufgaben des Amtes für Personenverkehr 38.2 der Landesabteilung Mobilität gehört.
Auch die Art und Weise, wie die Abrechnung der Betriebskosten durch die SAD zu erfolgen hat, ist unklar und wenig transparent. Gleiches gilt für die Anerkennung der öffentlichen Beiträge, die zum Teil aufgrund eines Standardkostenmodells und zum Teil gegen Nachweis (für 20/30 Millionen Euro jährlich) bzw. aufgrund von Abrechnungen, die regelmäßig mit einigen Jahren Verspätung erfolgen, gewährt werden. Dieses undurchsichtige Vorgehen wäre bei einer In-House-Gesellschaft undenkbar.
Daher gibt es mehrere Gründe, die für die Vergabe des ÖPNV an eine eigene In-HouseGesellschaft sprechen. Mit diesem Modell werden nämlich die Dienste unter Einhaltung der EUBestimmungen durch die Verwaltungen selbst oder durch andere Rechtssubjekte erbracht, über welche die zuständigen Verwaltungen auf lokaler – sprich Landes- und Gemeindeebene – mittels einem eigenen Gremium eine ähnliche Kontrolle wie über die eigenen Dienststellen ausüben. Folglich handelt es sich um eine öffentliche Gesellschaft, die ihre Tätigkeit aufgrund eines Dienstleistungsauftrages anstelle des Privatunternehmens als Konzessionär ausübt: Diese Möglichkeit ist im Übrigen unter Artikel 20 (In-House-Vergabe) des Landesgesetzes Nr. 15 vom 23. November 2015 vorgesehen.
Die geltenden, staatlichen Bestimmungen (Art. 16 Absatz 3 des gesetzesvertretenden Dekrets 175/16) sehen für alle In-House-Gesellschaften zwingend vor, dass sie die eigene vorwiegende Tätigkeit (im Ausmaß von mindestens 8o % ihres Umsatzes) unter Beachtung der durch die eigenen institutionellen Gesellschafter festgesetzten Zielsetzungen zu erfolgen hat. Das hindert die InHouse-Gesellschaft nicht daran, auch private Gesellschaften – insbesondere kleine Firmen, die seit jeher für die SAD als Unterauftragnehmer tätig sind – bei der Erbringung der eigenen Dienste miteinzubeziehen, wobei die In-HouseGesellschaft bis auf die Einhaltung der geltenden Bestimmungen zur öffentlichen Auftragsvergabe keiner Einschränkung unterliegt, wie im Übrigen vom Staatsrat im Urteil Nr. 2765 vom 30. April 2009 bereits bestätigt.
Abschließend erscheint es im Licht des eingangs dargelegten Sachverhalts vernünftig, den gesamten öffentlichen Personennahverkehr in öffentliche Hände zu geben. Die Umwandlung der Sasa in eine In-House-Gesellschaft war ein erster wichtiger Schritt. Die Vergabe des landesweiten ÖPNV – und nicht nur jenes der Gemeinden Bozen, Meran und Leifers – an die neue In-HouseGesellschaft Sasa mit angemessener Umstrukturierung des Gesellschaftskapitals, wäre angesichts der knappen Zeiten die schnellste Lösung.
Dies vorausgeschickt, verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
die Vergabe des öffentlichen Personennahverkehrs auf der Straße im Jahr 2020 nicht auszuschreiben, sondern die Lösung einer In-HouseGesellschaft anzupeilen, welche in Zukunft den öffentlichen Nahverkehr übernehmen soll.