Bestimmungen auf dem Sachgebiet der Zusammensetzung und Wahl der Gemeindeorgane – Änderungen zum Regionalgesetz Nr. 2 vom 3. Mai 2018 betreffend „Kodex der örtlichen Körperschaften der autonomen Region Trentino-Südtirol“
BERICHT
Artikel 1: Panaschieren
Neben der Einführung von vier Vorzugsstimmen auch für die Gemeinden der Provinz Trient (derzeit nur zwei) wird die Abgabe von Vorzugsstimmen auch für Kandidaten unterschiedlicher Wahllisten vorgeschlagen. Damit wird den Wählern eine größere Auswahl eingeräumt, da sie zwar nur eine einzige Liste wählen können (was zur Berechnung der Sitze notwendig ist), aber dann vier Vorzugsstimmen für Kandidaten aller Wahllisten (also nicht nur jene der von ihnen gewählten Liste) abgeben können. Auf diese Weise werden die Vorzugsstimmen von der Wahlliste „losgelöst“ und es können auch verdienstvolle Kandidaten unterschiedlicher Listen gewählt werden. Natürlich steht es den Wählern frei, ihre Vorzugsstimmen auch nur Kandidaten einer einzigen Partei oder Liste zu geben oder überhaupt keine Vorzugsstimme auszudrücken. Im Großteil der deutschen Bundesländer (13 von 16) und auch in den Schweizer Kantonen gibt es das Panaschieren bereits bei den Gemeindewahlen, hauptsächlich in den kleineren Gemeinden, wo jeder fast jeden – und somit auch die Kandidaten – kennt.
Artikel 2: Gleichstellung der Geschlechter
Die derzeitige Regelung zur Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau, laut der höchstens 2/3 der Kandidaten einer Kandidatenliste ein und demselben Geschlecht angehören dürfen, hat sich als unzureichend erwiesen, um eine effektive Gleichstellung herbeizuführen. Von 116 Südtiroler Gemeinden werden heute 106 von Bürgermeistern und nur 10 von Bürgermeisterinnen (also nur 9 Prozent, Daten ISPAT, 2014) geführt. Im Trentino gibt es 31 Frauen (14 Prozent) unter den 215 Bürgermeistern. In Südtirol gibt es unter den 1.993 Gemeinderatsmitgliedern 448 Frauen (24 Prozent), im Trentino sind es 868 von 3.308 (26 Prozent). Da die Wahlfreiheit der Bürger auf keinen Fall eingeschränkt werden sollte, sieht dieser Gesetzentwurf im Gegensatz zu dem für die Gemeinden mit Normalstatut geltenden System (und zwar 2 Vorzugsstimmen für Kandidaten unterschiedlichen Geschlechts) die gleiche Anzahl von Kandidaten und Kandidatinnen auf allen Listen vor, so dass die Gleichstellung der Geschlechter auf den Listen gewährleistet und den Wählern die Entscheidung überlassen wird, welche Kandidaten oder Kandidatinnen sie wählen wollen. Zudem sollte die Beteiligung der Frauen an der repräsentativen Politik auch mit anderen Maßnahmen, die in den Gemeindesatzungen und in der Geschäftsordnung (Termine und Zeiten der Sitzungen, Vereinbarkeit mit dem Familienleben, Arbeitsweise, deliberative Demokratie) vorzusehen sind, gefördert werden.
Artikel 3: Misstrauensantrag
Es wird auch für den Gemeinderat die Möglichkeit vorgesehen, einen Misstrauensantrag gegenüber jeglichem Mitglied des Gemeindeausschusses (des Bürgermeisters oder der einzelnen Gemeindereferenten) einzubringen und mehrheitlich darüber abzustimmen. Im Falle einer Genehmigung des Misstrauensantrages wird ein neues Mitglied in den Gemeindeausschuss ernannt.
Es wird somit die Möglichkeit eingeführt, demokratisch ein oder mehrere Mitglieder des Gemeindeausschusses während der Amtszeit abzusetzen, während der Vertrauensentzug oder der Rücktritt des Bürgermeisters die Auflösung des Gemeinderates, die kommissarische Verwaltung und seine Neuwahl nach sich ziehen.
Artikel 4: Veröffentlichung des Arbeitsprogramms
Es wird die Veröffentlichung des Arbeitsprogramms auf den institutionellen Kanälen der betroffenen Gemeinde bis spätestens 20 Tage vor der Wahl vorgesehen. Diese Pflicht wird auf die Gemeinden der Provinz Bozen mit weniger als 15.000 Einwohnern ausgeweitet, die bisher davon befreit worden waren (siehe Artikel 242 Absatz 1 Buchstabe d) des Kodex).