Die Landesregierung wird demnächst die Ergebnisse der nicht bindenden Marktrecherche über das “Museumsquartier der Stadt Bozen” erhalten und über die Verschiebung des Ötzi-Museums diskutieren.
Ötzi ist ein Weltkulturerbe und ein Juwel Bozens und Südtirols, das ein dementsprechend würdiges Zuhause braucht. Wir sind aber der Meinung, dass die Verlegung einer solchen kulturellen, wissenschaftlichen und touristischen Attraktion in einer Kleinstadt wie der unseren erst dann erfolgen sollte, wenn wir uns eingehend mit den Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf die Stadt befasst haben.
Denn welche Auswirkungen wird diese Entscheidung für den Rest der Stadt haben? Wie kann man die Verlegung des Ötzi-Museum auf die Entwicklung einer Stadt, eines Ortes oder eines Stadtviertels gemessen werden? Während für einen Touristen das Erlebnis, obwohl einzigartig, eine Frage von Stunden bleibt, muss die Stadt mit den Folgen der Verschiebung des Museums jahrzehntelang leben.
Die Diskussion sollte in erster Linie auf einer langfristigen Vision basieren und der Standort sollte so bestimmt werden, dass die vom Ötzi-Museum erzeugte Sogwirkung für das Allgemeinwohl und nicht Partikularinteressen zu Gute kommt.
Wir fordern, dass die Entscheidung erst nach einer Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der verschiedenen Vorschläge auf die ganze Stadt getroffen wird.
Solche Analysen sind heutzutage durchaus möglich und zielführend. So stellte zum Beispiel der Handels- und Dienstleistungsverband (hds) vor kurzem ein neues, innovatives Instrument vor – die Geoanalyse – das in den vergangenen Monaten gemeinsam mit dem internationalen Beratungsunternehmen KPMG entwickelt wurde. Dieses Instrument benutzt Daten bezüglich aller Points of Interest im Lande (alle Geschäfte, Sehenswürdigkeiten, Museen und sonstige Einrichtungen die Einheimische und Touristen anziehen), kreuzt diese mit dem Konsumverhalten von Einheimischen und Touristen anhand ihrer soziodemografischen Merkmale (Alter, Einkommen, Herkunft, usw.) und ermöglicht eine punktuelle Analyse der Passantenströme. Mit einem solch evidenzbasierten Instrument kann man die Passantenströme und Einflüsse messen, und man hat nicht nur Schätzungen oder Umfragen parat, sondern konkrete Zahlen in der Hand um Vorschläge besser sortieren und evaluieren zu können.
Die Analyse über die Auswirkungen auf die Stadt hinsichtlich der Verlegung vom Ötzi-Museum auf den Virgl zeigt folgende Hauptergebnisse:
- Eine negative Auswirkung auf die Touristenfrequenz in der Innenstadt (inkl. ursprüngliche Position des Ötzi-Museums) von bis zu 20%;
- eine massive Abnahme der allgemeinen Frequenz rund um den Waltherplatz;
Anhand dieser Daten muss man sich die Frage stellen, ob und wem die Verlegung des Ötzi-Museums Vorteile beschafft und ob eine solche im Einklang mit dem Rest der Stadt ist. Denn die Aufwertung der Altstadt und die Realisierung von Großprojekten sind sicher wichtig und unterstützenswert, aber diese Veränderungen müssen nicht Zulasten der anderen Stadtviertel passieren, die wirtschaftlich schon sehr stark von der Konkurrenz zu Einkaufszentren belastet sind. Zur Erinnerung sind laut der Geoanalyse folgende Auswirkungen vom alleinigen SIGNA-Kaufhaus zu erwarten:
- Ein genereller Rückgang der Passantenströme von der Rauschertorgasse ab in Richtung Gries;
- Einen sehr starken Rückgang für die Nebenstraßen der Lauben wie die Dr. Streitergasse, wo sich in den letzten Jahren viele Restaurants niedergelassen haben und die hauptsächlich von Touristenströme leben;
- Eine Rückgang der Passantenströme von bis zu 8% für die Zonen um den Grieserplatz, Freiheitsstraße und Palermostraße;
- Ein prognostizierter Einbruch von bis zu 12% für das Landeseinkaufszentrum Twenty und von bis zu 14% für das Kaufhaus Centrum;
Man merkt also, dass die Verlegung des Ötzi-Museums auf den Virgl die Auswirkungen des SIGNA-Kaufhauses auf den Rest der Stadt verstärken und definitiv die Tourismusströme von den Lauben und den Waltherplatz in die Südtirolerstraße verschieben: das Ötzi-Museum in seiner heutigen Umgebung trägt wesentlich zur Belebung der Ost-West-Einkaufsachse vom Grieserplatz bis zum Rathausplatz bei und hält diese aufrecht. In der Tat würde die Verlegung auf den Virgl eine negative Auswirkung auf die Touristenfrequenz dieser Zone von bis zu 20% mit sich bringen, die Touristen würden sich prinzipiell im Dreieck Südtirolerstraße, Garibaldistraße und Bahnhofspark – zufällig die Zone des SIGNA-Kaufhauses – konzentrieren, ein Mehrwert verteilt auf der ganzen Stadt bliebe folglich aus.
Die Auswirkungen einer möglichen Verschiebung einer solchen Hauptattraktion der Stadt können daher nicht ohne eine sehr gründliche und vorausschauende Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Gesamtauswirkungen auf die Stadt entschieden werden. Auch wenn die Besucher des Virgl zunehmen sollten und mit ihnen die Einnahmen des Archäologiemuseums, aber der Rest der Stadt einen (Todes)Schlag erhält, wer würde dann gewinnen und wer verlieren?
Wir nehmen auch vorweg, dass wir uns klar für eine Wiederbelebung und Aufwertung des Virgls aussprechen: diese sollte aber einen Mehrwert für die ganze Stadt und Stadtbevölkerung bringen und nicht auf Kosten anderer Stadtviertel geschehen, denn das Ötzi-Museum hat einen so starken Anziehungseffekt, dass die Besucher ohne weiteres dessen Standort folgen und ein positiver Passantenstrom in heute benachteiligten Zonen erzeugt werden kann. Zu begrüßen wäre deshalb ein neuer Museumssitz in der Nähe der heutigen Umgebung, der durch einer Standortanalyse einen positiven Sogeffekt für heute benachteiligte Gebiete bestätigt.
Dies vorausgeschickt,
verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
- die Entscheidung bezüglich einer möglichen Umsiedlung des Ötzi-Museums im Rahmen einer langfristigen Vision für die Stadt als Ganze zu nehmen und empirisch erstellten Analysen, wie z.B. einer Standortanalyse, zu unterziehen, die Passantenströme und ökonomische Auswirkungen auf die anderen Stadtviertel analysiert;
- das Ötzi-Museum in seiner heutigen Umgebung zu belassen falls kein gesamtwirtschaftlicher Vorteil für die ganze Stadt enstünde;
- das Ötzi-Museum in seiner heutigen Umgebung zu belassen falls keine solche Studie erstellt wurde.