Eine wachsame und bewusste Bürgerschaft ist die Grundlage einer gesunden Demokratie. Die Einführung des Lehrfachs „Bürgerkunde und politische Bildung“ wäre genau diesem Ziel dienlich: unseren jungen Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Grundlagen der Politik, des öffentlichen Rechts, des Verfassungsrechts sowie der Wirtschaft näher zu bringen, damit aus ihnen aktive, verantwortungsbewusste Erwachsene mit einem ausgeprägten Bürgersinn werden. Das Lehrfach „Bürgerkunde und politische Bildung“ umfasst zwei grundlegende Sachbereiche, nämlich wirtschaftliche und rechtlich-soziale Aspekte. Während historische Aspekte bereits in den Schulen behandelt werden, fehlt es an einer ernsthaften Einbeziehung der Lehrkräfte für Recht und Wirtschaft. Diese könnten den Schülerinnen und Schülern ein Programm für Fächer, die sonst in der Schule nur am Rande behandelt werden, anbieten: öffentliches Recht, Verfassungsrecht, Privatrecht, EU, UNO, internationale Beziehungen, Volkswirtschaftslehre, Finanzwirtschaft, Völkerrecht usw.
Nur wenige Schulen planen constant
Eine ständige Planung gibt es nur an wenigen Schulen. Das Zusatzfach (Verkehrserziehung, Gesundheitserziehung usw.) wird eher als eine Mehrbelastung empfunden, die den reibungslosen Ablauf des Unterrichts beeinträchtigt.
Bürgerkunde soll ein Lehrfach und keine „Empfehlung“ sein
Dabei handelt es sich meist um Empfehlungen des Schulamtes, und es liegt an den einzelnen Schulen – ganz unverbindlich – die einzelnen Projekte parallel zu ihrem eigenen Kurrikulum durchzuführen. Wenn wir es mit der Bürgerkunde an der Schule ernst meinen, müssen wir sicherstellen, dass sie zu einem Lehrfach wird und keine Empfehlung im Ermessen der einzelnen Schulen bleib.
Es ist wichtig, die Richtlinien zentral vorzugeben
Im Zusammenhang mit der Entwicklung der oben erwähnten Projekte war häufig von der Schulautonomie die Rede. Was als Vorteil erscheinen mag, weil dadurch der Schule Handlungsfreiheit überlassen wird, entpuppt sich als Bumerang, wenn jede Schule eine Handlungsautonomie hat (eine Schule braucht zwei Stunden pro Woche, die andere eine Stunde, eine weitere organisiert zweiwöchige Projekte oder plant fächerübergreifende Unterrichtsstunden usw.). So sind die Schulen nicht in der Lage, diese Projekte strukturiert zu planen. Das führt zu vorhersehbaren wie unnötigen Schlachten um die Streichung von Lehrstühlen und um die Kürzung von Lehrfächern. Deshalb ist es unerlässlich, dass das Schulamt und damit die Politik für mutige Entscheidungen auf zentraler Ebene Verantwortung übernimmt, um dem Unterrichtsfach „Bürgerkunde“ den ihm gebührenden Wert zu verleihen, um vorbereitete Bürgerinnen und Bürger auszubilden und um ein Chaos an den einzelnen Schulen zu vermeiden.
Geschulte Lehrkräfte sollten einbezogen warden
Unter diesem Aspekt ist es sinnvoll, die Rolle der Lehrkräfte für Recht und Wirtschaft zu stärken. Diese beiden Fächer führten in den beiden Schulreformen der letzten Jahre (Gelmini-Reform und Reform der „Guten Schule“) ein Schattendasein, so dass diese Lehrkräfte trotz ihrer Ausbildung um einen Arbeitsplatz kämpfen mussten oder in Bereichen arbeiten mussten, in denen ihre Fachkompetenzen nicht zur Geltung kamen.
Die neuen Leitlinien von Minister Bussetti
Schließlich kündigte Minister Bussetti Ende November 2018 seine Absicht an, bereits ab dem laufenden Schuljahr (Juni 2019) Gespräche über „Verfassung und Staatsbürgerschaft“ in die Reifeprüfung aufzunehmen.
Derzeit gibt es jedoch nur sehr wenige Oberschulen, an denen das Fach Recht und Wirtschaft bis zur fünften Klasse unterrichtet wird (Handelsoberschule und Wirtschaftsgymnasium). An den meisten Oberschulen, wie Gymnasien oder technologischen Fachoberschulen, wird dieses Fach nämlich in der Regel in der ersten und/oder zweiten Klasse unterrichtet, während es in den letzten drei Jahren bis zur Matura spurlos verschwindet.
Der Gesetzesvorschlag der Lega im Parlament
Zum Thema Bürgerkunde an den Schulen haben einige Minister der Lega (Matteo Salvini, Lorenzo Fontana und Marco Bussetti) einen Gesetzentwurf vorgelegt, der darauf abzielt, dieses Lehrfach an allen Schulen, vom Kindergarten bis hin zum Gymnasium, als Pflichtfach einzuführen.
Angesichts der Pläne der Regierung in Rom, die ganz bestimmt auch das Schulwesen in Südtirol beeinflussen werden, ist dies ein weiterer Grund, dieses Unterrichtsfach einzuführen. Es gilt, darauf vorbereitet zu sein.
Ein entschlossener und mutiger Schritt nach vorne würde viele Vorteile bringen:
- Den Wunsch nach mehr Stunden erfüllen: Zunächst einmal könnte eine klare Antwort auf die eindringlichen Forderungen der Schülervertreter nach einer Erhöhung des Stundenkontingents für Bürgerkunde an den Schulen gefunden werden. Die Landesbeiräte der Schülerinnen und Schüler (insbesondere der deutschsprachige Schülerbeirat) drängen seit Jahren darauf, dass die Bürgerkunde durch die Wiedereinführung des Lehrfachs Recht und Wirtschaft wieder ihren Platz in den Lehrplänen findet. Es ist an der Zeit, dass die Forderungen der Schulgemeinschaft Gehör finden.
- Neue Themen fließen in den Lehrplan ein: Die Schulen wären endlich in der Lage, sich mit Themen zu befassen, die sonst nie behandelt werden, wie der Schutz der Privatsphäre, Patentrecht, Urheberrecht, Cybermobbing, Um weltrecht, Landschaftsschutz und Kulturpflege. Es geht auch darum, die Kinder der neuen Bürgerinnen und Bürger mit den Grundlagen des Zusammenlebens in einem laizistischen und demokratischen Rechtsrahmen vertraut zu machen. Auch der bereits erwähnte Gesetzentwurf einiger Minister geht in diese Richtung.
- Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema Autonomie: Es erscheint uns auch wichtig, den rechtlichen Rahmen unserer Provinz und das Autonomiestatut gründlich zu durchleuchten.
- Eine zügige Anpassung an die bevorstehenden neuen staatlichen Rechtsvorschriften: Die Annahme des Gesetzentwurfs würde eine rasche Anpassung mir der Einführung dieses Lehrfachs erfordern. Aufgrund der Schulautonomie könnte sich Südtirol bereits im Vorfeld auf die bevorstehende Einführung des Lehrfachs „Staat und Verfassung“ in die Reifeprüfung einstellen und in gewissem Sinne Pionierarbeit bei der Einführung dieses Schulfachs leisten.
Dies vorausgeschickt, verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
sich für die Wiedereinführung des Lehrfachs Recht und Wirtschaft über das gesamte Triennium an den Oberschulen Südtirols einzusetzen. Dieses Lehrfach soll gemäß den geltenden gesetzlichen Vorgaben als Fundament für das lebensbegleitende Lernen im Bereich Bürgerkunde und politische Bildung dienen.