Bei der Nutzung von Internet und diversen OnlineDiensten denkt man überwiegend an junge Menschen, wenig an Seniorinnen und Senioren. Die ZDF/ARD-Onlinestudie, die jährlich durchgeführt wird, zeigte 2019 auf, dass 90% der Bevölkerung das Internet nutzen. Während es bei den 14- 29jährigen knapp 98% sind, nutzt immerhin jede/r Dritte über 70jährige das Internet. Das ISTAT stellte 2019 fest, dass 90% der 14-25jährigen in Italien das Internet nutzen, aber nur 41,9% der 65- 74jährigen und gar nur 11% der über 75jährigen. Das ASTAT erhob 2018 Daten zur Internetnutzung in Südtirol, immerhin 61% der 55-74jährige nutzen das Internet. Je älter die Nutzer/innen des Internets sind, umso mehr verändert sich auch die Nutzung. Ältere Menschen benutzen vor allem Instant-Messaging-Dienste, wie z.B. Whatsapp.
In allen Erhebungen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Seniorinnen und Senioren, die mit jüngeren Familienmitgliedern zusammenleben und Haushalten, die nur aus Seniorinnen und Senioren bestehen. Wer auf keine unmittelbare Unterstützung zurückgreifen kann, nutzt OnlineDienste weniger.
Die Digitalisierung vieler Dienste, auch der öffentlichen Verwaltung, stellt vor allem Seniorinnen und Senioren vor große Herausforderung. Die Aktivierung des SPID, die INPS und der Südtirol Pass sind nur drei Beispiele der Digitalisierung, ganz zu schweigen von der Vielzahl der Ansuchen, die auf telematischem Wege gestellt werden. Patronate stehen immer zur Verfügung und helfen Personen, die keinen Internetzugang haben und Hilfe benötigen. Während der CoronaPandemie war das aber nicht möglich. Plötzlich, von einem Tag auf den anderen, funktionierte die Welt nur mehr digital. Wer kein „Internaut“ ist, bekam plötzlich nur mehr Informationen aus Radio und Fernsehen. Einfache Ämtergänge waren nicht mehr möglich – per E-Mail war die Devise. Freilich, man kam den nicht digitalisierten Personengruppen zu Hilfe, in Ausnahmefällen waren persönliche Termine möglich. Doch was ist mit Senioren, die nicht mehr mobil sind oder in dünn besiedelten Gebieten leben? Wenn die Wege zu Ärzten oder Supermärkten immer länger werden, können Telemedizin und Online-Shopping weiter ein eigenständiges Leben ermöglichen. Es gibt viele medizinische Apps, beispielsweise die Blutzuckermessung, die für Erleichterungen im Alltag sorgen. Auch die Möglichkeiten eines SmartHome schaffen Selbständigkeit und Hilfen auch für Seniorinnen und Senioren.
Die Krise verdeutlichte die Notwendigkeit, vor allem den Seniorinnen und Senioren Zugang zur digitalen Welt zu ermöglichen, den sie auch selbständig organisieren und leben können.
Senioren haben meist kein Interesse daran, grundsätzlich zu lernen wie man mit Programmen wie Skype umgeht, aber großes Interesse daran zu lernen, welche Knöpfe sie drücken müssen, um ihre Enkel anzurufen. Gleichzeitig haben Seniorinnen und Senioren aber mehr Scheu, ihre Daten preiszugeben und sind sehr sensibel für Sicherheit und Datenschutz. So nutzen Seniorinnen und Senioren zwar gerne digitale Kommunikation, scheuen aber vor Online-Banking oder -Shopping zurück. Es ist notwendig, Informationen zugänglich und sprachlich verständlich zu gestalten. Es reiche nicht, Senioren einmal in der Nutzung des Internets zu schulen und sie dann in einer sich stetig wandelnden digitalen Welt allein zu lassen. Vor allem ist es wichtig und auch ein Bedürfnis für Seniorinnen und Senioren, Erklärungen, wie z.B. Bedienungsanleitungen auch in Papierform zu haben.
Bei Schulungen, Kursen oder Informationsbroschüren für Seniorinnen und Senioren ist es wichtig, auf eine zielgruppenorientierte Sprache zu achten. Viele ältere Menschen verfügen über geringe oder keine Englischkenntnisse und so ist die Sprache des Internets, die voll von Anglizismen ist, schwer verständlich. So bietet es sich beispielsweise an, anstatt von einem Account von einem Konto zu sprechen. Es braucht Erklärungen und Lautsprache. Bei Online-Angeboten nur für Seniorinnen und Senioren ist auf große Buttons und Farbkontraste zu achten.
In Südtirol wird viel Geld in Digitalisierung der Schulen und der öffentlichen Verwaltung gesteckt. Die Handelskammer vergibt Beiträge an Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen aller Sektoren für Digitalisierungsmaßnahmen in ihren Unternehmen. Die sogenannten Generationen Y und Z sind bereits geprägt vom Digitalen, sie sind die „digital natives“. Wer im Berufsleben steht, der digitalisiert sich zwangsläufig, um seine Arbeit ausführen zu können. Die Generation der Rentnerinnen und Rentner, die nicht mehr „aktiv gezwungen“ sind, mit digitalen Medien zu arbeiten, fallen durch den Rost. Viele beschäftigen sich hobbymäßig mit PC, Smartphone & Co., bilden sich weiter und besuchen Kurse. Eine große Gruppe wird jedoch nicht erreicht und hat große Scheu, sich auf neue Herausforderungen einzulassen. Wie bereits erwähnt, reichen nicht reine Schulungs-, Kurs- oder Erklärungsangebote aus, sondern Seniorinnen und Senioren brauchen konstante Anlaufstellen und Hilfen nach Bedarf.
In der Corona-Krise wurde auch durch die Schließung der Alters- und Pflegeheime schmerzlich bewusst, dass digitale Kommunikation zumindest ein wenig die Isolation verbessern könnte. Die Bewohner/innen sind aber kaum mit Medien vertraut und auf Hilfe angewiesen.
Es gibt auf nationaler Ebene und in Südtirol bereits Initiativen und Projekte, die das Problem und die Chancen der Digitalisierung von Seniorinnen und Senioren erkannt haben. Der „Piano nazionale innovazione 2025“ sieht das Projekt „Un anziano, un tablet e un sorriso per l’inclusione digitale” vor. An Seniorinnen und Senioren in peripheren Gebieten werden Tablets verteilt, die bereits nützliche Apps vorinstalliert haben. Die Apps reichen vom vereinfachten Zeitunglesen, über Einkaufsmöglichkeiten bis zu Diensten der öffentlichen Verwaltung und Kommunikation. Den Seniorinnen und Senioren wird hiermit möglichst viel Autonomie gegeben und sie können ihr Leben selbst organisieren.
In Südtirol gibt es von Schulen Projekte, die Seniorinnen und Senioren Hilfestellungen mit dem Internet geben. Die Südtiroler Landesverwaltung, Abteilung Informatik und Digitalisierung, schreibt auf ihrer Webseite zur digitalen Inklusion:
„Nicht alle Menschen nehmen gleichermaßen an der digitalen Entwicklung der Gesellschaft teil. Insbesondere Senioren, Arbeitslose oder nicht im Berufsleben stehende Menschen, Menschen mit Beeinträchtigungen, mit geringer formaler Bildung oder niederem Einkommen können oftmals mit dem technologischen Wandel nicht Schritt halten. Damit besteht die Gefahr, dass diese Bürgerinnen und Bürger den Anschluss an die Gesellschaft, an Dienstleistungen, an die Wissens- und Informationsvermittlung sowie an den Arbeitsmarkt verlieren. Besonderes Augenmerk muss daher darauf gelegt werden, dass diese Personen nicht aus der digitalen Welt ausgeschlossen werden. Die digitale Inklusion gewährleistet benachteiligten Bevölkerungsgruppen den Zugang zum Internet und damit zu Wissen, Bildung und Mitgestaltung. Damit werden Barrieren abgebaut und Chancengerechtigkeit in der Teilhabe an der heutigen Informationsgesellschaft ermöglicht.“
Als Maßnahmen werden spezifische Weiterbildungsangebote und kostengünstige Schulungen zur Medienkompetenz beschrieben, konkrete Informationen dazu finden sich aber nicht. Ein Link führt auf die Webseite „Landmaus“, die mit „Tipps und Tricks rund um den PC“ betitelt wird. Unter diesem Link findet man eine Webseite, die nach viel Information aussieht und auch eine Sektion „Fragen und Antworten“ hat, die letzte NewsEintragung ist jedoch datiert mit 16.12.2017. Neben der Nichtaktualität der Webseite stellt sich auch die Frage, wie zugänglich Informationen im Web für die Zielgruppen digitaler Inklusion sind.
Eine Fördermaßnahme für die Digitalisierung von Seniorinnen und Senioren findet sich beim KVW mit „Senioren online“ (https://www.kvw.org/de/- kvw-senioren/einstieg-in-die-digitale-welt-senioren-online-485.html). „Senioren online – Coaches (SOL)“, ebenfalls großteils Seniorinnen und Senioren, bieten in informellen Treffs Schnupperstunden, Einführungen, Hilfestellungen und Erkundungen für Seniorinnen und Senioren an. Ein Kennenlernen der digitalen Welt ist genauso möglich wie spezifische Fragen und Probleme. Das Projekt ist für die Seniorinnen und Senioren kostenlos, die SOL arbeiten ehrenamtlich. Unterstützung kommt vom Amt für Senioren und Sozialsprengel.
In Zusammenarbeit mit KVW, Bauernbund und Volkshochschule gibt es auch die Initiative Diggy. Diggy richtet sich an alle, die Fragen und Schwierigkeiten im Multimediabereich haben. Geht es um die Aktualisierung der Software, die Erstellung des Spid, dem Organisieren von Fotos zwischen Handy und PC u.v.m. gibt es die Möglichkeit, sich an die Diggy-Coaches zu den Sprechzeiten zu wenden. Sie finden in verschiedenen Bibliotheken oder Vereinsräumen des Landes statt. Das Angebot ist in den meisten Gemeinden durch Unterstützung des Landes kostenlos und eine Erweiterung des bereits seit Jahren bestehenden Selbstlernzentrums der Volkshochschule.
Neben diesen bereits bestehenden Projekten und Initiativen, benötigen Seniorinnen und Senioren auch Informationsblätter oder Tutorials, wo einfach, unkompliziert und praktisch Basiskompetenzen im Umgang mit digitalen Medien beschrieben werden.
Ebenso muss der Zugang von Seniorinnen und Senioren zur Digitalisierung vermehrt gefördert und unterstützt werden. Laut ISTAT gibt es ca. 1,2 Millionen über 65jährige, die sich als isoliert und einsam, ohne Freundschaften außerhalb ihres familiären Netzwerkes, definieren. Damit entsteht das Risiko, dass bei der kontinuierlichen Digitalisierung der Welt außen vor bleiben und somit zukünftig auch nur eingeschränkt am öffentlichen Leben, das sich zunehmend ins Web verlagert, teilnehmen können. Vor allem öffentliche Verwaltungen können dieses Risiko nicht eingehen, weil ihre Dienstleistungen – online wie offline – unbedingt für alle zugänglich sein müssen. Niemand sollte auf dem Weg zum „digitalen Bürger“/ zur „digitalen Bürgerin“ zurückgelassen werden.
Dies vorausgeschickt, verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung:
- Projekte und Initiativen zur Förderung der Digitalisierung von Seniorinnen und Senioren zu bündeln, zu fördern und zu unterstützen.
- Informationsbroschüren und Tutorials in zielgruppengerechter Sprache auszuarbeiten, konstant zu aktualisieren und den Seniorinnen und Senioren in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen.
- darauf zu achten, dass bei allen Diensten, die nur digital angeboten werden, Unterstützungsmöglichkeiten für Seniorinnen und Senioren im Sinne der digitalen Inklusion geschaffen werden.
- formelle wie informelle Treffs zur Schulung, Beratung und Unterstützung von Seniorinnen und Senioren zu schaffen und flächendeckend anzubieten.
- Eine eigene Stelle beim Amt für Senioren und Sozialsprengel zu errichten, die die Digitalisierung von Seniorinnen und Senioren vorantreibt, Digi-Coaches ausbildet und vernetzt und die Angebote für Seniorinnen und Senioren koordiniert.
- Alters- und Pflegeheime mit dem notwendigen Know-How und den notwendigen Infrastrukturen auszustatten, dass die Nutzung digitaler Kanäle möglich ist, gefördert werden kann und allen Bewohnerinnen und Bewohnern zugänglich gemacht werden können.
- mit Partnern wie z.B. dem ASTAT eine Erhebung zur Digitalisierung von Seniorinnen und Senioren durchzuführen, damit Bedürfnisse erkannt werden können und dementsprechend Maßnahmen zu erarbeiten.
- ein Beitragsmodell zu erarbeiten, um Seniorinnen und Senioren beim Kauf von digitalen Geräten und dem Errichten von Internetanschlüssen zu unterstützen.
- gemeinsam mit den Providern und der Firma Infranet attraktive Angebote für Seniorinnen und Senioren zu erarbeiten.