Das Landesgesetz vom 19. Mai 2015, Nr. 6 schreibt vor, dass bei der Erneuerung der Kollektivverträge der Schutz der Kaufkraft der Gehälter, unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes sowie der grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich–sozialen Reformen zu berücksichtigen sind.
Nachdem das Gesetz im Jahr 2015 bereits von der ersten Landesregierung unter Landeshauptmann Kompatscher vorgelegt und vom Landtag genehmigt wurde, beziehen wir uns bezüglich der allgemeinen Entwicklung der Wirtschaft auf die Periode 2015-2019. Welche Entwicklungen gab es in dieser Vier-, fast schon Fünfjahresperiode?
Das Bruttoinlandsprodukt gilt allgemein als der synthetische Parameter für die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft. Das Statistikinstitut des Landes hat das BIP Südtirols mit jenen von Italien, Österreich und Deutschland verglichen (ASTAT Info Nr. 29, 04/2019). Seit 2010 hat sich das Südtiroler BIP parallel zu den Bruttoinlands- produkten Österreichs und Deutschlands entwickelt. Daraus lässt sich schließen, dass die Südti- roler Volkswirtschaft jener Österreichs und jener Deutschlands sehr ähnlich ist. Im Gegensatz dazu hat das BIP vom restlichen Italien einen stark abweichenden und damit im negativen Sinne eigenständigen Verlauf. Unsere Südtiroler Volkswirtschaft ist demnach eindeutig mitteleuropäisch und weniger mediterran geprägt.
Im Detail betrachtet hat laut ASTAT die Südtiroler Volkswirtschaft zwischen dem Jahreswechsel 2014/2015 und dem Jahreswechsel 2018/2019 um 5,2 % zugelegt. An diesem Prozentsatz von 5,2 % wollen wir festhalten, er entspricht jener vom Landesgesetz vorgegebenen allgemeinen Entwicklung der Wirtschaft seit dem Jahr 2015.
Lenken wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Berücksichtigung des Arbeitsmarktes: Er- werbsquote und Arbeitslosenquote sind Indikato- ren, die zur Beschreibung des Arbeitsmarktes einer Volkswirtschaft herangezogen werden. Die Erwerbsquote steigt kontinuierlich seit den Neunzigerjahren, immer mehr Menschen beteiligen sich am Erwerbsleben. Die von der EU empfohlene Erwerbsquote von 75% haben wir fast schon er- reicht und stehen damit auf einer Linie mit unseren nördlichen Nachbarn. Im Süden schaut die Situation bezüglich Erwerbsquote wesentlich schlechter aus. Die Erwerbsquote stellt dem Südtiroler Arbeitsmarkt ein gutes Zeugnis aus.
Als zweiten wichtigen Indikator wollen wir die Ar- beitslosenquote betrachten. Diese liegt für das Jahr 2018 mit einem Wert von 2,9 % extrem niedrig. Der Arbeitsmarkt sei leergefegt, heißt es immer wieder von Seiten der Expertinnen und Experten. Viele Branchen leiden bereits darunter und langfristig sind strukturelle Maßnahmen zur Ver- besserung des Arbeitsmarktes in Bezug auf interessantere Arbeitsmöglichkeiten, mehr Arbeitsplatzangebote für hochqualifizierte Menschen oder chancenreichere Karrieremöglichkeiten zu setzen. Kurzfristig können sowohl Unternehmen als auch das Land Südtirol nur mit attraktiveren Löhnen und Gehältern entgegensteuern.
Die Südtiroler Privatwirtschaft hat diese Notwendigkeit ganz im Gegensatz zur Arbeitgeberin Landesverwaltung schon vor rund zehn Jahren erkannt. Der Index der kollektivvertraglichen Entlohnung pro Stunde zeigt die Lohnentwicklung für den Zeitraum 2010-2018 auf: während die Löhne im Privatsektor durchschnittlich um 10,5 % gestiegen sind, sind die Gehälter im öffentlichen Dienst um 0,1 % angewachsen (ASTAT, Statistisches Jahrbuch 2018).
Zusammenfassend wird in Bezug auf die gesetzliche Regelung, dass bei Erneuerung der Kollektivverträge unter anderem auch die allgemeinen Entwicklungen der Wirtschaft und des Ar- beitsmarktes zu berücksichtigen sind, folgendes festgehalten: Im Zeitraum von Jänner 2015 bis Jänner 2019 wuchs die Südtiroler Volkswirtschaft um über fünf Prozent, die Erwerbsquote ist hoch und die Arbeitslosenquote ist niedrig, was Zusatz- punkte im Sinne des Landesgesetzes vom 26. Mai 2015, Nr. 6 bedeutet.
Aufgrund der allgemeinen positiven Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes für den Zeitraum 2015-2019 ergibt sich somit ein Wert- schöpfungswert von mehr als fünf Prozent, der laut Landesgesetz Nr.6/2015 bei der Erneuerung der Kollektivverträge zu berücksichtigen ist.
Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung
die Bediensteten des Landes und der öffentlichen Körperschaften, die vom Land abhängig sind, an der allgemeinen positiven Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes im Sinne des Landesgesetzes Nr. 6/2015 teilhaben zu lassen und zwar mit einer Erhöhung des Grundgehaltes, wel- ches sich am Wertschöpfungswert der Südtiroler Volkswirtschaft des Zeitraumes 2015-2019 orientiert.