1998/2002 – Gründung der Brennercom
Die Brennercom wird 1998 von der Brennerautobahn AG und dem Internetportal des Hauses Athesia, Dnet, gegründet. Erst nach zwei Jahren wird das Unternehmen durch den Impuls von Landesrat Alois Kofler auch operativ tätig, während in der Zwischenzeit das Land als Mehrheitseigentümer einsteigt. Karl Manfredi, der persönliche Referent und Ressortdirektor von Alois Kofler, wird in der Folge zum Geschäftsführer der Brennercom berufen. Eine politische Ernennung.
2003/2005 – Manfredi´s Aufstieg zum Mitaktionär an der Brennercom
Während Karl Manfredi anfänglich mit 0,12 Prozent an der Brennercom beteiligt war, steigt er rasch zum zweitgrößten Aktionär nach dem Land auf. Mit seiner in Bozen eingetragenen KM Invest nimmt der damalige Brennercom-Geschäftsführer 2003 einen Bankkredit von 2,45 Millionen Euro auf, um damit 8,62 Prozent am Telekommunikationsunternehmen zu erwerben.
2006 – Innsbrucker-Gesellschaft wird zum Inhaber der Brennercom-Aktien
Brennercom-Geschäftsführer Manfredi gründet zwischen April und August 2006 eine zweite KM Invest GmbH in Innsbruck und verkauft die KM Invest Bozen schließlich an die Schwesterfirma in Österreich, weshalb die Brennercom-Aktien an die Innsbrucker-Gesellschaft übergehen und im späteren Verlauf dann an den Athesia-Konzern. Der daraus resultierende Gewinn blieb ein Rätsel.
2007 – Der Ausstieg des Landes aus der Brennercom naht oder doch nicht?
Während die Brennercom beschließt nach Nordtirol zu expandieren, betont Landesrat Hans Berger, dass “das Land nicht Unternehmer spielen soll”. Eine Bewertung der Brennercom wird in Auftrag gegeben und eine Ausschreibung seitens des Landes soll folgen. Informatiklandesrat Berger wurde also nicht von den Plänen der Brennercom informiert: “Uns haben weder unsere Vertreter (Manfredi und Kofler) informiert, noch kam das auf der Gesellschafterversammlung zur Sprache”, so Landesrat Berger.
2008/2009 – Athesia wird größter Aktionär
Auf einmal ging alles ganz schnell: Die Athesia-Tyrolia GmbH kauft die Innsbrucker KM Invest GmbH von Manfredi auf und sichert sich als Alleinbieter das Brennercom-Aktienpaket. Damit hält die Familie Ebner 48,34% Prozent an der Brennercom, während das Land Südtirol mit nur mehr 42,35% nun zweitgrößter Aktionär ist. Die Athesia wollte in der Folge aber mehr und versuchte sich auch die Aktienpakete der übrigen öffentlichen Gesellschafter zu sichern.
2010/2015 – Konkurrenzkampf und Gerichtsstreit zwischen der Athesia-Tyrolia GmbH und dem Land Südtirol
Da sich zunächst Landeshauptmann Durnwalder und in der Folge Landeshauptmann Kompatscher jedoch zur Wehr setzten, entstand zwischen der Athesia und dem Land Südtirol ein Interessenskonflikt und in späterer Folge sogar ein Gerichtsstreit, in dem Athesia-Direktor Michl Ebner offenbar jedes Mittel recht war, die Athesia Interessen durchzusetzen. Der letztendlich erreichte Kompromiss: die Spaltung der Brennercom in ein Unternehmen mit dem Telekommunikationsbereich und der Providertätigkeit sowie in das Unternehmen Infranet AG mit der Tätigkeit im Breitbandbereich. Ersteres (Brennercom) ging zur Gänze an die Athesia, während zweiteres (Infranet AG) von der öffentlichen Verwaltung übernommen wurde. Mit dieser Vorgehensweise ist die öffentliche Verwaltung die Verpflichtung umgangen, die in öffentlicher Hand stehende Beteiligung in Übereinstimmung mit den gesetzlich festgelegten Grundsätzen der Transparenz und des Wettbewerbs zu veräußern.
2016 – Athesia sichert sich auch den Telekommunikationsbereich der Brennercom
“Ein Kompromiss ohne Sieger oder Verlierer” – so das Statement des Landeshauptmanns im September 2016, nachdem die Landesregierung nach “zähen” Verhandlungen der Abgabe ihrer Brennercom-Anteile für rund 18 Millionen an die Athesia zugestimmt hatte.
2020 – Athesia & Ebner verkaufen die Brennercom an ein börsennotiertes Mailänder Unternehmen
Der Mailänder Unternehmer Retelit sichert sich mit einem Kaufpreis von 65 Millionen Euro 100 Prozent an den Brennercom-Anteilen. Die Brennercom, die im Jahre 2016 noch von der Landesregierung mit 18 Millionen Euro bewertet wurde, wird also vier Jahre später – trotz Umsatzrückgangs – für 65 Millionen Euro und damit 47 Millionen (!) mehr, als der Schätzwert der Landesregierung im Jahre 2016, verkauft. Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel, wie das Land zunächst eigenen Landesbesitz durch jahrelange Investition aufbaut, um ihn dann an Private zu “verschenken”.
Unser Kommentar
Die Landesregierung gab mit dem Beschluss 1039/16 (“Genehmigung des Abspaltungsplans der Brennercom AG mit gleichzeitiger Gründung der aufnehmenden Gesellschaft “Infranet AG”) grünes Licht für die Vereinbarung mit der Athesia. Die Landesgesetze, auf die sich der Beschluss bezieht, legitimieren die beschriebene Ausgliederung und Neuorganisation, aber sicherlich können Landesgesetze nicht übergeordnete nationale und sogar europäische Gesetzgebung umgehen, die im Falle einer Ausgliederung die Gewährleistung des öffentlichen Interesses verlangen. Die öffentliche Ausschreibung ist das Instrument, das unter diesen Umständen keinesfalls umgangen werden kann. In absoluten Ausnahmefällen erlaubt Artikel 10 des Gesetzesdekrets 175/2016 auch private Verhandlungen mit einem einzigen Bieter, aber es ist unabdingbar, mit besonderer Sorgfalt auf die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit und damit auf die Angemessenheit des Preises zu achten und dies ausdrücklich zu argumentieren – dies ist unserer Meinung nach nicht geschehen. Der Beweis dafür wurde nun einige Jahre später mit dem Verkauf der Brennercom von Athesia an Retelit, zu einem vom Markt bestimmten Unternehmenswert, geliefert.
Es gab auch andere Unternehmer, die an einer Teilnahme und eventuellem Kauf der ehemaligen Landesanteile interessiert waren, wie Paul Köllensperger im Landtag betonte und deshalb die Landesregierung zu einer Ausschreibung aufforderte. Wir erinnern besonders an zwei Tagesordnungen von Paul Köllensperger, die im Landtag im November (Nr. 1/57/15) und im Dezember (Nr. 28/62/15) des Jahres 2015 von der SVP abgelehnt worden waren.
Diese Mischung aus Politik und Unternehmertum ist natürlich sehr fragwürdig, um es milde auszudrücken. Und leider ist es sicher kein Einzelfall in dem, was man gemeinhin als das “System Südtirol” bezeichnet. Die leider gängige Masche: “Mit öffentlichen Steuergeldern aufbauen und dann an Private verschenken”.