Der Maturaball stellt für Tausende von Maturanten und Maturantinnen alljährlich eine Bewährungsprobe dar. Mit viel Engagement, Leidenschaft und Mut wird organisiert und umgesetzt, werden große bürokratische und versicherungstechnische Hürden genommen. Doch für einige Kritiker ist der Maturaball lediglich eine Geldbeschaffungsmaßnahme von mehreren Privatpersonen in einer öffentlichen Struktur unter Einsatz reichlicher bewusstseinsverändernder Substanzen. Die Schulen haben vor 20 Jahren begonnen, sich zu distanzieren, indem die Veranstaltung als „nichtschulische Veranstaltung“ deklariert werden muss.
Die Tradition des Abschlussballs kommt aus Amerika. Dort wird der sogenannte PROM im April oder Mai von den Schulen, Schülern und Eltern so zelebriert, als müssten an diesem Tag für die High School Abgänger Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammenfallen. Der PROM bietet Stoff für viele Filmszenen, in denen Mädchen endlich auf die Einladung ihres Schwarms hoffen oder umgekehrt der schüchterne Nerd von der High School Schönheit mit der Einladung zum PROM über die schulische Wahrnehmungsgrenze gehoben wird. Englische Schüler feiern ebenso Abschlussbälle, wie die Deutschen den Abiball. In Russland ist es Tradition, beim Abschlussball gemeinsam den Sonnenaufgang zu erleben.
In Südtirol sind es fast nur noch Maturabälle, die noch einen Hauch von Ballkultur verbreiten. Andere große Ballveranstaltungen wie Musikbälle, Jägerbälle, die HGV Gala, der Wirtschaftsball oder der Uniball sind in der Versenkung verschwunden. Im Grunde verfügt das Land Südtirol über keine Ballkultur, wie man sie beispielsweise in Tirol oder Salzburg noch antrifft.
Umso mehr gilt es das Augenmerk auf die Maturabälle zu legen. Der Maturaball ist für Tausende von Südtiroler Maturanten und Maturantinnen, damit auch ihren Eltern und Verwandten, immer noch ein markanter und einmaliger Höhepunkt der 13-jährigen Schulkarriere.
Doch nicht immer bleibt dieser Abend ein Höhepunkt bzw. in guter Erinnerung. Jugendliche unvorbereitet in die Erfahrung Maturaball zu schicken bedeutet, um es in der Bergsteigersprache zu sagen, den organisatorischen Everest zu besteigen, ohne Höhenlager, ohne Akklimatisierung, ohne verlässliches Expeditionsteam, ohne jahrelange Bergerfahrung. Es wird Zeit, sich wieder an die Seite der Schüler/innen zu stellen und den Maturaball zum gemeinsamen gesellschaftlichen Höhepunkt der Schulkarriere werden zu lassen.
Es kommt nicht von ungefähr, dass sich Schüler untereinander mittlerweile mit Verträgen absichern, dass am Ball jeder seine Aufgaben ohne Alkoholrausch leistet, dass Bürgermeister eine größere Anzahl von Security-Dienstleistern verpflichtend vorschreiben, dass Veranstaltungssäle mit einer 2 Meter hohen Schutzfolie ausgeschmückt werden müssen oder am Ende des Abends das Abendinkasso gestohlen wird. Der Maturaball bringt häufig Streit in eine Klassen- oder Schulgemeinschaft. Vor dem Ball wird über den Namen gestritten, während dem Ball über den mangelnden Einsatz und nach dem Ball beginnt der Streit ums Geld.
In den letzten Jahren gab es von einigen Schulen den Versuch, die Situation in den Griff zu bekommen, sich wieder aktiv an die Seite der Schüler und Schülerinnen zu stellen. So entstand die Gala Medici, der fünf Oberschulen von Mals, die allerdings wieder eingestellt wurde, die Max Valier Gala der TFO Bozen, die TouSo Night des Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums und der Fachoberschule für Tourismus oder die Kafka Gala.
Frei nach dem berühmten Seneca-Zitat – Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir – würde ein Maturaball alle Inhalte abdecken, die Maturanten und Maturantinnen versucht wird, in verschiedenen Fächern 13 Jahre lang beizubringen. Vom Projekt-Management über Vertrags-, und Versicherungswesen, bis zur mehrsprachigen Moderation. Auch die Alkohol- Prävention oder ein Tanzkurs könnten im Rahmen der Ball-Vorbereitungen näher gebracht werden.
Eine verantwortungsvolle Politik im Bildungs- und Kulturbereich schafft Rahmenbedingungen, wo solche Veranstaltungen und damit deren Akteure sich nicht selbst überlassen werden, wissend um die Probleme und Gefahren, die daraus entstehen. Jugendliche sollen zwar ihre persönlichen Erfahrungen, oft auch Grenzerfahrungen mit dem Maturaball machen, aber es gilt ihnen dabei unterstützend zur Seite zu stehen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass vor allem die Maturanten selbst eine Hilfe oft gerne annehmen, wenn sie von Profis aus dem Bereich kommt. Visionäre Politik sollte sich mit den Akteuren aus Schule, Prävention, Eltern und Gemeinden an einen Tisch setzen und Rahmenbedingungen schaffen, mit deren Hilfe der organisatorische Everest von den Maturantinnen und Maturanten in Zukunft wieder leichter, aber vor allem gefahrloser, bestiegen werden kann.
Dies vorausgeschickt verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
- einen Arbeitstisch zum Thema „MaturabälleSchulbälle“ einzurichten und eine Zukunftsvision für dieses Thema zu erarbeiten;
- die Oberschulen dazu zu motivieren, Beratungsund Begleitprojekte in den dritten und vierten Klassen anzubieten und den Maturanten/innen in den fünften Klassen bei der Organisation des Schulballs bzw. Maturaballs entweder durch erfahrene und geschulte Lehrpersonen oder Experten von Außen begleitend zur Seite zu stehen
- über das Schulamt den Schulen/Klassen Experten oder Fachlehrer mit Erfahrung zur Seite zu stellen, die nötiges Knowhow in der Organisation und Abwicklung des Schulballs/Maturaballs den Schülern vermitteln. Die Finanzierung hierfür soll aus dem Bildungsbudget bereitgestellt werden.