Die steigende Anzahl an Naturkatastrophen und das immer größere Schadensausmaß derselben fordern ein weltweites Umdenken. Das starke Unwetter vom 25. Oktober 2018 hatte in Südtirol und den umliegenden Provinzen tiefgreifende Schäden zur Folge. Die bisherigen globalen, nationalen und lokalen Maßnahmen gegen die Klimakrise reichen bei weitem nicht aus. Selbst die Ziele, die bislang im Rahmen des Pariser Klimaabkommens eingereicht wurden, reichen nicht, um die globale Erwärmung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit unter 1,5 Grad Celsius zu halten. Zu diesen eindeutigen Ergebnissen kommt der Sonderbericht des Weltklimarates IPCC im Oktober 2018. Die Weltgemeinschaft, Italien und auch das Land Südtirol dürfen nicht länger zögern, sondern müssen schnell und konsequent handeln. Jede Anstrengung, die wir jetzt weiter vertagen, wird in den folgenden Jahrzehnten um ein Vielfaches schwerer und letztendlich unmöglich.
Die Klimakrise ist die essenzielle Herausforderung unserer Zeit. Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen spürt und die letzte, die die Klimakatastrophe noch stoppen kann.
Was bedeutet „Ausrufen des Klimanotstandes?“ Die Erklärung des Klimanotstands bedeutet, dass Parlamente oder Verwaltungen feststellen, dass es eine Klimakrise gibt und dass die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, die menschengemachte globale Erwärmung zu begrenzen. Im Sinne von Fridays for Future ist dies kein Notstand im rechtlichen Sinne: Wenn ein Land diesen Schritt geht, ist das erst einmal ein politischer Appell. Mit dem Beschluss werden Landesregierung und Verwaltungen beauftragt, Maßnahmen auszuarbeiten, die über den derzeitigen Stand hinausgehen, und den geschuldeten TeilBeitrag zu leisten, um die globale Erwärmung aufzuhalten. Durch die Einführung und den Gebrauch des Begriffs „Notstand“ in diesem Zusammenhang wird diesen Maßnahmen höchste, nicht aufschiebbare Priorität zugeschrieben.
Wir sollten uns darin einig sein, „dass unser Haus brennt“. Bei Klimaschutz geht es inzwischen um „reinen Menschenschutz“. Mittlerweile gibt es sogar in Österreich mehr Hitze- als Verkehrstote. Die Gefahr, einen Punkt zu erreichen, an dem es kein Zurück mehr gibt, ist real und greifbar. Die nächsten 20 Jahre werden entscheidend sein.
Der Landtag erkennt durch die Ausrufung des Klimanotstandes den Klimawandel als akute Bedrohung an und erklärt die Eindämmung der Klimakrise sowie ihrer schwerwiegenden Folgen zu einer Aufgabe mit höchster Priorität. Dies beinhaltet auch die Selbstverpflichtung, bei jedem Vorhaben zu überprüfen, wie dieses auf das Klima wirkt.
Insbesondere die CO2-Emissionen sind ein großes Klima-Problem. Um sie zu senken, sind grundlegende Veränderungen in den Segmenten Verkehr und Energieerzeugung eine Pflicht:
Eine stärkere Reduzierung von Treibhausgasen, die Förderung erneuerbarer Energiequellen, der weitere Ausbau der öffentlichen Mobilität und des Radverkehrs, Initiativen zur Bewusstseinsschaffung und das Ziel, klimaneutral zu wirtschaften.
Eine Maßnahme wäre, den Autoverkehr in den Innenstädten zu verringern. Das wird allerdings nicht von heute auf morgen möglich sein. Verbesserter ÖPNV, Fahrradverleih, Elektromobilität, Carsharing sind neben kontinuierlicher Begrünung Ansätze, die mittelfristig Wirkung zeigen können. Alle Maßnahmen, die dem Klimaschutz dienen, sind eine Investition in die Zukunft, sind nachhaltig, und damit sollten Einwände wegen Kosten nicht an erster Stelle stehen.
Ein wesentlicher Punkt: Alle Gesetze, Verordnungen und Förderungen werden auf ihre Vereinbarkeit mit Energieautonomie und Klimaschutz geprüft. Das Land wird jetzt den Klimanotstand erklären, um damit ein politisches Signal zu setzen – auch für andere Provinzen und Regionen. Südtirol sollte mit gutem Beispiel vorangehen und die erste Provinz Italiens sein – dies entspricht dem oft propagierten Selbstverständnis einer ökologischen Vorzeigeregion.
Über allem aber steht das Bewusstsein jeder Bürgerin und jedes Bürgers, durch das persönliche Verhalten positiv oder negativ zum Klimawandel beizutragen und dementsprechend ressourcenschonend zu handeln.
Wenn wir in diesem Beschlussantrag Einstimmigkeit erreichen, senden wir das Signal an die Jugend: „Wir haben verstanden.“
Dies vorausgeschickt, verpflichtet der Südtiroler Landtag den Landtagspräsidenten,
- stellvertretend für den Südtiroler Landtag den Klimanotstand zu erklären und damit die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität anzuerkennen;
- für sämtliche Landesgesetzentwürfe, Beschlussanträge zu Landesgesetzentwürfen, Beschlussanträge, Begehrensanträge und Begehrensgesetzentwürfe ab September 2019 verpflichtend bei der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz eine Bewertung der „Auswirkungen auf den Klimaschutz“ einzuholen, mit den Auswahlmöglichkeiten „Ja, positiv“, „Ja, negativ“ und „Nein“. Wird die Frage mit „Ja, positiv“ oder „Ja, negativ“ beantwortet, muss die jeweilige Auswirkung in Zusammenarbeit mit der Agentur in der Begründung dargestellt werden;
und verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
- zur Kenntnis zu nehmen, dass die bisherigen Maßnahmen und Planungen nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen;
- für das Land Südtirol das Ziel zu setzen, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu werden und alle dazu notwendigen Maßnahmen glaubwürdig und systematisch zu planen und umzusetzen;
- ab sofort bei jeglichen Entscheidungen die Auswirkungen auf das Klima zu berücksichtigen und Lösungen zu bevorzugen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken;
- bei den Qualitätskriterien zur Bewertung von Angeboten an die öffentliche Verwaltung (zum Zweck der Vergabe von Aufträgen) im Sinne von Art. 35 Absatz 1 des Landesgesetzes vom 17. Dezember 2015, Nr. 16 „Bestimmungen über die öffentliche Auftragsvergabe“ für die Ausführung des Auftrags zusätzliche Bedingungen im Sinne der Nachhaltigkeit vorzuschreiben und in den Ausschreibungen explizit, und in einschneidendem Umfang, Bewertungspunkte Umwelt- und Klimaschutzaspekten vorzubehalten;
- die Euregio-Partnerregionen aufzufordern, dem Vorbild Südtirols zu folgen und ebenfalls den Klimanotstand auszurufen;
- die Umsetzung derselben Vorhaben und Auflagen zum Klimaschutz auch in Unternehmen mit Landesbeteiligung einzufordern;
- halbjährlich dem Südtiroler Landtag über Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen Bericht zu erstatten.