Viele junge Menschen absolvieren nach ihrem Schul- oder Studienabschluss ein oder mehrere Praktika um verschiedene Arbeitsumfelder kennenzulernen. Diese Form der Berufsausbildung findet in der heutigen Arbeitswelt guten Anklang: 2018 haben 3.087 BürgerInnen ein extracurriculares Praktikum in Südtirol begonnen1 . Oft handelt es sich um die erste Arbeitserfahrung vieler junger Menschen, bevor ein echtes Arbeitsverhältnis entsteht. Mit dabei sind aber auch Personen, die Praktika zum Einstieg oder Wiedereinstieg in die Arbeitswelt absolvieren.
Man unterscheidet diesbezüglich zwischen:
– Curriculares Praktikum: Das vom Studienplan des Laureats- oder Fachlaureatsstudiengangs oder von einem anderen Lehr- und Ausbildungsplan vorgesehene Praktikum dient als Ergänzung der Ausbildung und ist für die Erlangung des Diploms vorgeschrieben;
– Extracurriculares Praktikum: Das nicht vom Lehrplan vorgesehene Praktikum zu Ausbildungs- und Orientierungszwecken ist meist an Schüler, Studenten oder Absolventen von Studiengängen vorgesehen und zielt darauf ab, junge Menschen in die Berufswelt einzuführen.
Dieser Beschlussantrag betrifft nur letztere Kategorie, wobei laut Beschluss der Landesregierung Nr.1405/2018 in Bezug auf die extra-curricularen Praktika des Weiteren folgendes unterschieden wird:
– Praktika zur Orientierung und zur Entwicklung von Berufskompetenzen (tirocini di orientamento e sviluppo delle competenze professionali), welche von den Landesdirektionen für Berufsbildung laut Anlage A des Beschlusses der Landesregierung Nr. 1405/2018 durchgeführt werden (Zielgruppen sind u.a. soziale Randgruppen, Arbeitslose oder Personen über 26 Jahren, die umschulen oder wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden müssen, Schulabbrecher, usw.; Minimaldauer: 2 Monate; Maximaldauer: 500 Stunden; Entgelt: Minderjährige 3€/Stunde, Volljährige 4€/Stunde zzgl. 1,50€, sofern sich der Praktikumsplatz mehr als 5 km entfernt ist ;
– Praktika zum Einstieg oder Wiedereinstieg in die Arbeitswelt zugunsten auf dem Arbeitsmarkt benachteiligter Personen (tirocini di inserimento o reinserimento lavorativo promossi dalla Ripartizione Lavoro a favore di persone svantaggiate sul mercato del lavoro), welche von der Abteilung Arbeit organisiert werden laut Anlage B des Beschlusses der Landesregierung Nr. 1405/2018 durchgeführt werden. Ziel dieser Praktika ist die Förderung der Wiedereingliederung ins Erwerbsleben für am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen (Personen, die Schwierigkeiten haben, ohne Hilfe eine Arbeit zu finden wie Langzeitarbeitslose, Wiedereinsteiger und Wiedereinsteigerinnen in die Arbeitswelt (Art. 2, Abs. 1 Bu. k des gesetzesvertretenden Dekretes Nr.276/2003 in geltender Fassung). Die Höchstdauer des Ausbildungsund Orientierungspraktikums beträgt je nach Art der Benachteiligung entweder bis zu 6, bis zu 12 oder bis zu 24 Monate. Taschengeld: monatlich mindestens 400 Euro brutto betragen muss. Der Betrieb kann einen Landesbeitrag von max. 400 € über den Arbeitsservice erhalten;
– Orientierungspraktika für Schüler und Studierende (tirocini di orientamento per alunni e studenti), welche und von der Abteilung Arbeit abgewickelt werden und im lokalen Rahmenabkommen geregelt werde, das am 19.03.2015 zwischen Autonomer Provinz Bozen-Südtirol und den Sozialpartnern getroffen wurde (Zielgruppen sind Schüler und Studierende, welche das 15. Lebensjahr vollendet haben und Schule/Universität vor nicht mehr als 12 Monate abgeschlossen haben; Zeitraum: 01.06.-30.09. für Schüler und ganzjährig für Studierende; Höchstdauer: 3 Monate: Schüler, 6 Monate: Studierende – kann auf Anfrage des Betriebes auf 4 Monate bei Schülern und 10 Monate Studierenden erhöht werden; Taschengeld: mindestens €300).
Wie vom Verfassungsgerichtshof im Urteil Nr. 287/2012 bestätigt, fallen extracurriculare Praktika, als Teilbereich des Sachgebiets „Bildung und Berufsbildung“ („istruzione e formazione professionale“) in die residuale ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Regionen (Art. 117 Abs. 4 Verfassung). Das Land kann also im Sachgebiet „Bildung und Berufsbildung” (und deshalb auch bei Ausbildungs- und Orientierungspraktika) – immer im Rahmen des Staat-Regionen-Autonome Provinzen-Abkommens vom 25.05.2017, welches auf der Grundlage des Art. 1 Abs. 34 Gesetz 92/2012 erlassen wurde – eigene Wege beschreiten, die es zu nutzen gilt.
Das Land hat dazu mit Beschluss Nr. 1405/2018 die hiesigen Mindestanforderungen festgelegt. Diese liegen aber im Vergleich zu anderen Regionen eher tief: während das Land Südtirol ein Taschengeld von 300€ monatlich vorsieht, liegt dieses z. B. in der Region Latium bei 800€.3 Dies ist bei den hohen Lebenskosten und den guten Arbeitsmarktbedingungen Südtirols insbesondere für Studienabgänger enttäuschend und kann auch einen Verbleib im Lande unattraktiver machen. Hier sollte das Land seine gesetzgeberischen Spielräume ausnutzen und die Entlohnung anpassen.
Zuzüglich ist das Taschengeld der Praktikanten (im Sinne von Art. 50 Einheitstext über die direkten Steuern DPR 917/1986 i.g.F. den Einkommen aus Arbeit gleichgestellt (…equiparato ad un reddito di lavoro), vgl. Art. 2 Rahmenabkommen vom 19.3.2015. Dies hat zur Folge, dass der Praktikant, gleich wie ein abhängiger Arbeiter, das eigene Einkommen erklären und die Steuererklärung machen muss, sofern das Einkommen den jährlich festgelegten Mindestbetrag überschreitet, und ggf. Steuern zahlen muss.
Dazu kommt eine weitere Problematik, die junge ArbeitnehmerInnen meistens erst Jahrzehnte später entdecken: die Einzahlung von Sozialbeiträgen ist bei Praktika nicht vorgesehen. Dies ist besonders im aktuellen beitragsbezogenen System problematisch, da viele junge ArbeiterInnen somit ein „Beitragsloch“ von mehreren Monaten und sogar Jahren aufweisen. Da Sozialbeiträge verzinst werden, ist die Einzahlung derselben in jungen Jahren besonders wichtig.
Abschließend sei auf Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe e) des L.G. 39/1992 verwiesen, der vorsieht, dass das Land „Ausbildungs- und Orientierungspraktika laut Definition der staatlichen Gesetzgebung für am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen und für Schüler und Studenten“ durchführen und durchführen lassen kann, „wobei auch Taschengelder an die Praktikanten oder Beiträge an die aufnehmenden Unternehmen gezahlt werden können, deren Kriterien und Ausmaß von der Landesregierung festgelegt werden“ (“contributi alle imprese ospitanti sulla base di criteri e importi stabiliti dalla Giunta provinciale”).
Dies vorausgeschickt, verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung:
- den Beschluss der Landesregierung Nummer 1405 des Jahres 2018 insoweit abzuändern, dass eine Mindestbezahlung bei extracurricularen Praktika von 600€ brutto pro Monat für Minderjährige und 800€ brutto pro Monat für Volljährige eingeführt wird;
- zu überprüfen, ob und wie Beiträge an aufnehmende Unternehmen gezahlt werden können, damit diese bei extracurricularen Praktika auch Sozialbeiträge einzahlen.