Mit diesem Begehrensgesetzwurf sollen Grundsätze in die Verfassung eingefügt werden, welche die Gleichstellung der Generationen fördern und die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung und den Umweltschutz schaffen.
Dabei handelt es sich um Ziele, die alle Länder der Welt verfolgen müssen, denn die Neuverschuldung, die sozialen Ungleichheiten, die Beschäftigungskrise, die Überalterung der Bevölkerung und die Zerstörung der Umwelt sind alles Probleme, die miteinander verknüpft sind. Sie betreffen zudem so gut wie alle Länder und vor allem die zukünftigen Generationen. Hinzu kommt, dass unser Land beim weltweiten Einsatz gegen den Klimawandel eine Schlüsselrolle einnehmen sollte.
Den zukünftigen Generationen gleiche Rechte sowie gleiche Wirtschafts-, Sozial- und Umweltbedingungen zu gewährleisten, ist ein Thema, das in Italien zu lange stiefmütterlich behandelt wurde. Vor allem seit den letzten Finanzkrisen hat sich
die finanzielle Lage junger Menschen zunehmend verschlechtert und sich in einen wahren Notstand verwandelt. Es sind vor allem die jungen Menschen, die unter den wachsenden Ungleichheiten leiden. Laut Angaben des staatlichen Statistikamtes ISTAT und den Daten aus dem im Oktober 2018 von der Caritas veröffentlichten Bericht „Armut im Anmarsch“ (Povertà in attesa) ist jeder zweite Arme jünger als 35 Jahre. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt erneut an: Im September 2018 lag die Arbeitslosenquote junger Menschen zwischen 15 und 24 Jahren bei 31,6 % und jene der 25- bis 34-Jährigen bei 15,6 %. Die öffentliche Verschuldung nimmt weiter zu; die vor Kurzem eingeleiteten Rentenmaßnahmen wälzen die Kosten unhaltbarer Reformen – der Vorsitzende des
NISF schätzt die dafür benötigte Summe auf 100 Milliarden Euro –, auf die kommenden Generationen ab. Während das Durchschnittseinkommen einer Familie mit einem Geldverdiener unter 35 Jahre im Vergleich zu 1990 laut Angaben des ISTAT aus dem Jahr 2018 um 60 % gesunken ist, ist jenes einer Familie mit einem Geldverdiener über 60 Jahre verglichen mit 1990 um 60 % gestiegen.
Das Thema Nachhaltigkeit wird oft hintangestellt, obwohl auf internationaler Ebene Verpflichtungen eingegangen wurden, insbesondere hinsichtlich der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030, die am 25. September 2015 von der UNGeneralversammlung verabschiedet wurde. Im Laufe der letzten 40 Jahre hat die Erde die Hälfte ihrer Tierarten, die Hälfte aller in ihren Ozeanen beheimateten Lebewesen und eine Waldfläche so groß wie Europa verloren. Das Eis der Arktis ist um 50 % geschrumpft, mehr noch als das Gebirgseis. Weitläufige Gebiete dieser Erde sind zu Wüsten verkommen, ein Phänomen das fast alle Gegenden, aus denen sich zahlreiche Menschen
auf die Flucht begeben, betrifft: den Senegal, Nigeria, den Sudan, das Horn von Afrika, Syrien und den nördlichen Teil des indischen Subkontinents. Aufgrund einer noch nie dagewesenen Konzentration von Energie in den Ozeanen haben sich extreme Wetterphänomene ereignet. 250.000 Tonnen Plastik schwimmen auf den Meeresoberflächen, Treibhausgase, Abholzung, illegale Müllentsorgung, der unvernünftige Einsatz von Wasser sowie der Bodenverbrauch: Sie alle geben keine Anzeichen nachzulassen.
Trotz der Fortschritte, die in einigen Bereichen erzielt wurden, befindet sich die Umwelt in unserem Land in vielen Bereichen nach wie vor in einem beunruhigenden Zustand. Aus dem Jahresbericht 2018 des Umweltinstitutes ISPRA geht etwa hervor, dass es einen fortwährenden Bodenverbrauch gibt, der schwerwiegende hydrogeologische Risiken mit sich bringt. Angesichts dieser Situation reichen die jüngsten Maßnahmen in diesem Bereich nicht aus.
Auch bei uns ist die Situation nicht gerade rosig. Seit den 60er Jahren ist die jährliche Durchschnittstemperatur in Südtirol, laut dem „Klimareport“ von EURAC Research, um 1,5° C angestiegen. Ex-treme Wetterphänomene wie starke Niederschläge und Stürme werden sich aufgrund des Klimawandels mehren. Zudem ist die Gletscherfläche Südtirols aufgrund des Temperaturanstiegs zwischen 1983 und 1997 bereits um 19,7 % und
zwischen 1997 und 2006 um weitere 11,9 % geschrumpft. Bis Ende des Jahrhunderts dürfte sich die Schneegrenze von 700 m auf 1.500 m über dem Meeresspiegel verschoben haben und die Gesamtschneemenge somit um 80 bis 90 % abgenommen haben. Um nicht von den Gletschern zu sprechen, die sich bis 2050 auf Höhenlagen über 3.000 Meter zurückziehen werden. Wir laufen Gefahr, dass unsere Enkelkinder den uns bekannten alpinen Lebensraum nicht mehr erleben werden.
Schließlich sollte unter dem Gesichtspunkt der Bildung und Weiterbildung noch das Thema der sozialen Nachhaltigkeit beachtet werden. Auch diesbezüglich haben sich die politischen Maßnahmen der vergangenen Jahre als gänzlich unzufriedenstellend erwiesen. Führt man sich die Zahl der Studienabgänger vor Augen, liegt Italien in Europa auf einem der hintersten Plätze. Die Gefahr hierbei ist, dass unsere jungen Menschen
nicht über das nötige Rüstzeug verfügen, um die Herausforderungen einer Welt im Wandel meistern zu können.
Statt diese grundlegenden Schieflagen anzugehen, zieht man es vor, weiter Schulden aufzunehmen, ohne sich darum zu kümmern, wer diese zahlen soll. Man fokussiert sich auf kurzfristige Maßnahmen, denen es an Ehrgeiz und Vision mangelt, ohne die Bedingungen dafür zu schaffen, kommenden Generationen ein modernes, gesundes, wirtschaftlich und finanzpolitisch funktionstüchtiges Land zu überlassen.
Wer heute schon arbeitet oder in den nächsten Jahren seinen ersten Arbeitstag antreten wird, läuft Gefahr, eine riesige Staatsverschuldung und ein starres Finanz- und Sozialsystem vorzufinden sowie unzureichend ausgebildet zu sein. Am Ende der eigenen Berufslaufbahn wird er/sie kaum mit einer ordentlichen Rente rechnen können. Die
wirtschaftliche Gleichbehandlung der Generationen, eine nachhaltige Entwicklung, das Recht auf Bildung und Ausbildung und der Umweltschutz sollten zentrale Themen der politischen Agenda aller Länder sein. Dies ist jedoch oft nicht der Fall.
Mit diesem Begehrensgesetzentwurf sollen ein echter Generationenvertrag sowie die nachhaltigen Entwicklungsziele in die Verfassung eingefügt werden. Dadurch möchten wir die Aufmerksamkeit aller Bürgerinnen und Bürger auf die Probleme der jungen Leute und der kommenden Generationen lenken sowie auf die Frage, welches Land wir unseren Nachkommen hinterlassen möchten.
Sich auf Wahlversprechen und Wahlprogramme zu verlassen reicht nicht aus. Der Gesetzgeber soll dazu verpflichtet werden, möglichst keine Gesetze zu verabschieden, deren Auswirkungen auf die zukünftigen Generationen nicht berücksichtigt werden.
In Artikel 1 des Begehrensgesetzentwurfes wird vorgeschlagen, die Gruppe der Adressaten der in Artikel 2 der Verfassung verankerten unabdingbaren Pflichten politischer, wirtschaftlicher und sozialer Solidarität auch um die zukünftigen Generationen zu ergänzen. Dem Artikel 2 wird die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung explizit als
Aufgabe der Republik hinzugefügt. Nach Jahrzehnten des Wartens führt Artikel 2 des Begehrensgesetzentwurfs den Umweltschutz als Grundrecht aller Menschen in Artikel 9 der Verfassung ein.
Art. 1
1. Dem Artikel 2 der Verfassung wird folgender Wortlaut hinzugefügt: „auch gegenüber zukünftigen Generationen. Die Republik unterstützt die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung.“
Art. 2
1. Dem Artikel 9 der Verfassung wird folgender Absatz hinzugefügt: „Sie anerkennt und gewährleistet den Umweltschutz als Grundrecht.“